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Historischer Stadtbrand
Irrtum in der Bayreuther Stadtgeschichte: Ein Brandherd, der kein Brandherd war
Das Bayreuther Tagblatt hat es gestern berichtet. Dass der erste große Stadtbrand am 21. März 1605 von einem Häuschen in der Brautgasse ausging. Damit saß das Tagblatt einem Irrglauben auf, dem auch alle Bayreuther Geschichtsbücher und viele Stadtführer aufsitzen, weiß Hobbyhistoriker Stephan Müller.
Dass der erste große Stadtbrand am 21. März 1605, von einem Häuschen in der Brautgasse ausging, ist ein Irrglauben, dem alle Geschichtsbücher und Stadtführer aufsitzen. Dem Fehler zugrunde liege eine Jahrhunderte alte falsche Übersetzung.
Schuld daran ist ein Schreibfehler von Gottlieb Heinrich Hagen, der Magister an der Lateinschule und vermutlich auch Pfarrer war. Im 18. Jahrhundert bekommt er bei den Recherchen zur Bayreuther Stadtgeschichte ein damals schon über einhundert Jahre altes Schriftstück in die Hände. Es ist die Liste der Brandgeschädigten. Dort liest er statt „Breite Gasse“, also die heutige Sophienstraße, das Wort Brautgasse. Der Fehler wird sich über die nächsten Jahrhunderte ziehen. Noch heute ist in jedem Bayreuther Geschichtsbuch die Brautgasse als Brandherd genannt.
Dabei hat Wilfried Engelbrecht vom Historischen Museum, der im Januar 2018 verstorben ist, den Fehler schon vor Jahren entdeckt. Engelbrecht sagte: „Ein Haus in der Brautgasse konnte gar nicht der Brandherd gewesen sein, weil die Gasse erst nach dem Stadtbrand von 1605 entstanden ist.“
Markgraf Christian beauftragte den Mailänder Baumeister Giovanni Battista Sala mit der Herstellung eines „Abrißes“ (kein Abriss im heutigen Sinn, sondern einen Stadtplan) und befahl am 30. April 1605 den Bayreuther Stadträten, dem Vogt, dem Kastner sich zusammen mit dem Baumeister, dass sie sich „mit allem vleis berathschlagen, an was orten und welcher gestalt die alte enge gäßlein (…) zu erweitern seien“ und „zugleich einen ungefehrlichen Abriß darüber zu papir zu bringen“. Insbesondere forderte er, dass die Schmiedgasse (heute Kanzleistraße) verbreitert und eine Gasse vom Markt zur Stadtkirche (Brautgasse) angelegt werden soll. In diesem Zusammenhang legte der Markgraf auch auf breitere Gassen wert, weil er feststellte, dass die größten Brandschäden in den engsten Gassen entstanden waren.
Der Brand entstand an der heutigen Ecke Sophienstraße/von-Römer-Straße
Das Feuer brach am Donnerstag, 21. März 1605, im Hause des Metzgers Ruppert in der heutigen Sophienstraße, an Stelle des Eckhauses neben der Gaststätte „Bauernwärtla“ aus und wütete bis zum Morgen des folgenden Tages. Von den damals 197 Häusern innerhalb der Stadtmauer waren 136 niedergebrannt, die Stadt und die Stadtkirche lagen in Schutt und Asche.
Ohne nötige Feuersorge gesetzt
Als „fatal“ bezeichnet es Engelbrecht, dass der Gefahrenherd schon einige Monate vorher erkannt wurde. Im Juli 1604 hat eine Kommission des Magistrats im Anwesen des Metzgers Ruppert durch „Augenschein“ festgestellt, dass „im Höflein ein Schmelzkessel ohne nötige Feuersorge gesetzt“ wurde. Dies könne nicht geduldet werden, sondern er „müsse in alle Wege dem wehren und zur Verhütung leichtlich daraus entstehenden Gefahr wieder abschaffen“.
Das Unglück hätte also bei mehr Sorgfalt leicht vermieden werden können. Was nach dem Brand aus Metzger Ruppert geworden war, konnte Engelbrecht nicht mehr ermitteln. Sein einziger Anhaltspunkt ist ein Vorschlag, den der Stadtrat dem Markgrafen Christian zur Finanzierung des Wiederaufbaues der Stadt gemacht wurde. In einem Brief vom 7. Juli 1607 schlägt der Stadtrat vor, „Rupperts Verlassenschaft der Brandsteuer zuzuschießen“. Darüber, ob Ruppert die Flucht ergriffen hat, oder seine Familie in dem Brand umgekommen ist, sagt der Brief nichts aus.
Der Brandbrief
Im Stadtarchiv konnte Stadtheimatpfleger Wilfried Engelbrecht die ersten Maßnahme des Markgrafen Christian nachvollziehen. Mit einer Brandsteuer hoffte er die erste Not lindern zu können. Dazu wurden zwölf Männer ausgewählt, die die Brandsteuer paarweise in allen Teilen der Markgrafschaft eintreiben sollten und darüber hinaus in den angrenzenden Ländern Almosen zu sammeln, ein Begleitbrief der Stadt Bayreuth und des Markgrafen legitimierte sie dazu. Im Mai 1605 machten sie sich auf den Weg, so dass „alle Welt“ durch diesen „Brandbrief“ erfuhr, was sich in Bayreuth zugetragen hatte. Christoph Rundeslman und Joseph Volckmar sammelten in Schlesien und Böheim (Böhmen), Conrad Müller und Hans Caspar Mönsterer durchstreifen das ganze „Preußenland“ bis Dänemark. Nachweisbar ist der Bayreuther Brandbrief unter anderem in Nürnberg, Ansbach, Ulm, Pforzheim, Straßburg, München, Berlin, Hamburg, Danzig, Stettin oder Königsberg. Er enthielt folgenden Wortlaut:
„ganz schmerzlich zu vernennen, daß Donnerstags vor Palmarum, den 21. März, auf den Abend zwischen acht und neun Uhr, in unserer Stadt Bayreuth (…) aus Gottes gerechten Zorn und Verhängnis und durch Verwahrlosung eines Metzgers eine ganz erschreckliche Bruns entstanden“. Das Feuer vernichtete „die Pfarrkirchen, – darin anfangs der Bruns unsere Diener und Untertanen ihre beste und liebste Fahrnus (Habe) an allerhand Hausgeräten und Mobilien geflüchtet hatten – samt dem Geläut auf beiden Kirchtürmen“, ferner die Lateinische Schul, auch etliche Kirchen- und Schuldienerwohnungen, zugleich auch das eine Stadttor (Unteres Tor) und einen ziemlichen Teil der Ringmauer, besonders an der Bedachung; daneben sind 136 bürgerliche Wohnhäuser (…), an und Nebengebäude (und in derselben ein stattlicher Vorrat an Getreide, Malz allerhand Viktualien und Hausrat) in wenig Stunden zugrunde gegangen und verdorben. Dadurch wurden gar viel arme Leute allerhand Standes gemacht und in solches Verderben gesetzt worden, dass ohne christlich-mitleidenliche Hilfe es etlicher maßen unmöglich ist, den mächtigen Schaden nur etwas zu überwinden.“
Etwa nach einem Jahr kehrten die Steuersammler zurück. Aus einem Brief vom 7. Juli 1606 der Stadtverwaltung an den Markgraf Christian erfuhr Engelbrecht, dass „etliche von ihnen nach ihrer Wiederkunft gar mit Tode abgegangen, die anderen mit langwieriger Hitz, Hirnfieber und dergleichen schädlichen Krankheiten behaftet gewesen“ sind. Sie brachten rund 6.000 Gulden mit. Insgesamt betrug der Schaden nach dem selben Brief weit über 45.000 Gulden.
Stephan Müller
Stephan Müller (55) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.