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Geschichte
Als ein Bayreuther Markgraf um Wien kämpfte und siegreich nach Bayreuth zurückkehrte
bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller hat zusammengestellt, wie Christian Ernst in den Krieg zog und siegreich mit einem Beutestück nach Bayreuth zurückkehrte.
Den großen Markgrafenbrunnen vor dem Neuen Schloss in Bayreuth kennt jeder. Er zeigt den Bayreuther Markgrafen Christian Ernst (nachdem das Christian Ernestinum Gymnasium benannt ist) in der Pose eines erfolgreichen Feldherrn. Christian Ernst war einer der Befehlshaber bei der Schlacht am Kahlenberg bei Wien, in der die Osmanen von einem „Entsatzheer“, (Befreiungsheer) zurückgedrängt wurden. Auch wenn es die „Osmanen“ waren, liest man in den Geschichtsbüchern – also nicht ganz richtig – vom zweiten „Türkenkrieg“ vor Wien. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller hat zusammengestellt, wie Christian Ernst über den Krieg informiert wurde, wie er sein Heer zusammenstellte und am Ende siegreich mit einem Beutestück, das noch heute in der Universität Bayreuth aufbewahrt wird, nach Bayreuth zurückkehrte.
Der Bayreuther Markgraf Christian Ernst zieht in den Krieg
„Großer Gott! Welch ein Schauspiel bot sich unseren Augen vom Scheitel dieses Berges dar! 200.000 Osmanen zogen in Schlachtordnung vor ihrem Lager aus und weiter links von den Türken zogen ungezählte Tatarenhorden heran. All dies war in voller Bewegung und rückte gegen das christliche Heer vor.“
Diese Notiz machte ein polnischer Soldat am 12. September 1683 in sein Tagebuch. Die Schlacht am Kahlenberg zur Befreiung von Wien, bei der auch Hunderte von Bayreuther Soldaten unter der Führung von Markgraf Christian Ernst beteiligt waren, begann.
Die Osmanen auf dem Vormarsch
Einige Wochen zuvor zog ein riesiges Heer mit 200.000 Soldaten über Ungarn in Richtung Wien und verwüstete und plünderte auf dem Vormarsch weite Landstriche. Sultan Mehmed und sein Befehlshaber, Großwesir Kara Mustafa, wollten das Osmanisches Reich in Richtung „Abendland“ ausdehnen. Am 7. Juli 1683 floh Kaiser Leopold I. aus Wien nach Passau, um von dort Hilfeersuchen an den polnischen König Jan III. Sobieski, an die Baiern, Sachsen und die süddeutschen Reichsstände zu senden.
Der fränkischen Kriegsrat von Görz machte sich von Passau aus sofort auf den Weg und berichtete am 12. Juli in Nürnberg und am 13. Juli in Bamberg von dem Anmarsch der Osmanen. Der Bamberger Fürstbischof sicherte dem Kaiser sofort Hilfe zu und schickte von Görz zum Bayreuther Markgrafen Christian Ernst, der sich in Neustadt an der Aisch aufhielt. Ziel war es, dass sich alle Fürsten und Heerführer schnell zu einer Konferenz treffen. Der Würzburger Fürstbischof schlug Haßfurt als idealen Treffpunkt vor, weil sich Fürst von Waldeck, der Oberkommandierende des fränkischen Reichskreises, in der Nähe aufhielt.
Die Zeit drängte: Die Truppen von Kara Mustafas begannen bereits am 14. Juli 1683 Wien, das nur von 11.000 Soldaten verteidigt wurde, zu beschießen. Nachdem die kleinkalibrigen Kanonen nichts gegen die Stadtmauern ausrichten konnten, brachten die Osmanen in Tunneln und Gräben Sprengminen zur Explosion. Nun lagen mehrere Bastionen und Teile der Stadtmauer in Trümmern. Die Munition, Medikamente und Lebensmittel wurden langsam knapp.
Die Fränkische Gipfelkonferenz
Die „Fränkische Gipfelkonferenz“ in Haßfurt ging schließlich am 29. und 30. Juli über die Bühne. Nicht ohne größere Diskussion, denn exakt am selben Tag, nämlich dem 14.Juli, drohte den deutschen Reich von der westlichen Seite Ungemach. Der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. nahm Straßburg ein und drohte über den Rhein zu gehen.
Es wurde der Entschluss gefasst, dass eine Teilung ihrer Armee nichts bringen würde und das gesamte Heer nach Wien ausrücken sollte. Insgesamt stellten die Hochstifte Bamberg und Würzburg und die fränkischen Kreise 7.542 Soldaten, davon 1.552 Reiter, die von Markgraf Christian Ernst als Kreisobrist befehligt wurden. Die fränkische Truppe wurde am 28. August von Kaiser Leopold I. in Linz „besichtigt“. Für die damaligen Kommunikationsverhältnisse war der schnelle Anmarsch eine beachtenswerte Leistung.
Der Schlachtplan
Am 4. September wurde bei einem Kriegsrat in Stetteldorf der Schlachtplan entworfen, am 9. September 1683 war das Entsatzheer am „Tullner Felde“, rund 30 Kilometer vor Wien, versammelt.
König Jan III. Sobieski mit 26.000 Polen, Kurfürst Max Emanuel mit 11.000 Baiern, König Johann Georg III. mit 10.500 Sachsen. Zusammen mit 22.000 Soldaten des kaiserlichen Heeres und den Soldaten der fränkischen und schwäbischen Reichsständen zählte das Entsatzheer rund 76.000 Mann, von denen 35.000 Berittene waren. Kara Mustafa standen doppelt so viele Männer zur Verfügung.
Die Schlacht
Am linken Flügel, zwischen der Donau und dem Kahlenberg, waren also die kaiserlichen und die sächsischen Truppen aufmarschiert, im Zentrum zwischen dem Kahlenberg und Hermannskogel die bairischen, süddeutschen und fränkischen Kräfte und am rechten Flügel wegen des leichter passierbaren Geländes die Polen mit ihrer Kavallerie. Obwohl Kara Mustafa die Ankunft des Heeres gemeldet wurde, kam der Angriff für seine Armee überraschend.
„Es war, als wälze sich eine Flut von schwarzem Pech bergab, die alles, was sich ihr entgegenstellt, erdrückt und verbrennt“, beschreibt der türkische Geschichtsschreiber Mehmed Silâhdar den Anblick der Entsatzarmee am Kahlenberg.
Zusammen mit dem Grafen Rudolf von Rabatta von Dorenberg führte der Christian Ernst seine fränkischen, aber auch die kaiserlichen Cavallerieregimenter mit einer Stärke von insgesatm 6.000 Mann an und „drang zu einem energischen Stoße gegen die türkische Cavallerie“ vor.
Gleichzeitig drängten in Währing die polnischen Panzerreiter die türkische Kavallerie zurück. Es kam zu einem grauenvollen Gemetzel und einer wilden Flucht der Osmanen. Bei Sonnenuntergang war die Schlacht für das Entsatzheer entschieden und die zweimonatige Belagerung von Wien beendet.
Die Sieger verloren etwa 2.000 Mann , von den Osmanen lagen 20.000 tot oder verwundet auf dem Schlachtfeld. Die siegreiche Armee machte reiche Beute. Die Osmanen ließen Geschütze, Waffen, Fahnen und Rossschweife, die Zeltstadt mit allen Gütern und Schätzen an Gold, Silber und Schmuck sowie der Harem des Großwesirs zurück. Kara Mustafa wurde wegen der Niederlage auf Befehl des Sultans mit einer Seidenschnur erdrosselt.
Kaiserliche Huld für den Markgrafen
Christian Ernst und die anderen Heerführer wurden von Kaiser Leopold geehrt und bekamen in einem Dankschreiben „kaiserliche Huld und Ergebenheit“. Christian Ernst kehrte mit dem Titel eines kaiserlichen Generals und zahlreichen Beutestücken nach Bayreuth zurück. Aus der Zeltstadt, die Kara Mustafa im letzten Moment verließ, bemächtigte er sich unter anderem einer osmanischen Kriegsfahne, eines beim Eroberer sehr begehrten Rossschweifes und eines türkischen Gebetbuches. Bis auf dieses Gebetbuch wurden diese militärischen Beutestücke als Trophäen in der Bayreuther Stadtkirche aufbewahrt. Im Jahr 1816 wurden sie zusammen mit Helmen, Schildern, Kreuzen, aber auch Altartafeln und Taufsteindeckeln bei einer „Stilreinigung“ auf dem Dachboden gebracht und sind heute verschwunden.
Das Gebetbuch blieb erhalten
Erhalten blieb nur das türkische Gebetbuch, das Christian Ernst in seine Hofbibliothek bringen ließ. Das Buch von 1681 war damals erst zwei Jahre alt und befindet sich deshalb noch heute in einem ausgezeichneten Zustand. Als das Gebetbuch vor Jahren im Rahmen einer Ausstellung zu sehen war, wies Dr. Rainer Maria Kiel von der Universitätsbibliothek auf das hochwertige Papier, das vermutlich mit Seife geglättet und besonders präpariert wurde, hin. Er wies darauf hin, dass nicht um den beliebten „Taschenkoran“, sondern um ein Gebetbuch handelt, das von einem arabischen „Schönschreiber“ angefertigt wurde. Aufgrund der wertvollen Ausstattung geht er davon aus, dass das Buch einem vornehmen Mann der osmanischen Führerschicht – möglicherweise sogar dem Großwesir Kara Mustafa selbst – gehört haben muss. „Besonders reizvoll“, so Dr. Rainer Maria Kiel, „Ist der Vergleich des schönen Duktus- oder Naskhi-Schriftstils mit dem dreiseitigen barocken Eintrag, den Christian Ernst durch einen Schreibmeister machen ließ. „Während der arabische Schreibstil, der seit 1300 in Bagdad verwendet wurde, klein und filigran wirkt, lässt die barocke Schrift auf diesen drei Seiten bis zum Rand keinen Millimeter Platz.
Stephan Müller
Stephan Müller (54) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.