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Historisch
Bayreuther Mohrenwäscher: Vom Spottnamen zur Faschingsgesellschaft
von Stephan Müller
Heute sind die Mohrenwäscher als Faschingsgesellschaft in Bayreuth bekannt. Doch der Name hat eine lange Tradition. Stephan Müller blickt zurück.
Heute sind die Mohrenwäscher als Faschingsgesellschaft in Bayreuth bekannt. Doch der Name hat eine lange Tradition. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt zurück.
Die Legende der Mohrenwäscher
„Bei der Herzogmihl nuch a weng weiter druntn, is a Schtell im rotn Maa, wo mer sich als Jungers gabodt hot. Heigl hotmä jo net saa däffn, walls eftersch vorkumma is, daß newer ann a Wasserratz aufgetaucht is. Und wos sen des oft für Trimmer Kerl gwesn! Do hotmä sich manchas Moll richtig forchtn. Also die Schtell haaßt Mohrnland. Worum?“
(Bei der Herzogmühle, nicht weit davon entfernt, ist eine Stelle im Roten Main, an der man als Junge gerne gebadet hat. Ängstlich durfte man nicht sein, sind doch nicht selten Wasserratten von stattlicher Größe aufgetaucht … )
So beginnt die Geschichte „Bareithä Mohrnland“ des Bayreuther Mundartdichters Friedrich Einsiedel (1876 – 1951), die die berühmte „Mohrenwäscherlegende“ beinhaltet.
Ursprung im 19. Jahrhundert
Der Name Mohrenwäscher geht auf eine Überlieferung aus dem 19. Jahrhundert zurück, die Einsiedel 1929 im Band zwölf von „Mein Oberfranken“ veröffentlichte und die sich in seinen „Großvätertagen“ zugetragen haben soll.
Vor dem Markgräflichen Opernhaus befand sich in dieser Zeit städtische Vergnügungsplatz, auf dem Schausteller das Bayreuther Publikum mit Spiel, Spaß und Musik unterhielten. Eine absolute Sensation war ein „waschechter“ Afrikaner.
Zweifelnde Bayreuther wollten wissen, ob der Mohr echt war, oder ob der Schausteller sein Publikum nur auf den Arm nehmen wollte. Daraufhin wurde durch die Stadtobrigkeit bestimmt, dass der Mohr zur Herzogmühle geführt wird. Der arme Kerl wurde dann von einem Polizeidiener mit Seife eingeschmiert und anschließend mit der Wurzelbürste abgeschrubbt. Weiß ist er nicht geworden.
Bernd Mayers „Übersetzung“
Bernd Mayer übersetzte Einsiedels Geschichte, die am Ende des Artikels im Original in voller Länge zu lesen ist, so:
Daraufhin hat sich der Magistrat ins Zeug gelegt und Bürgernähe demonstriert. Der Mohr wurde feierlich zum Main geführt, an jene besagte Stelle bei der Herzogmühle, und dann ist die Hetz losgegangen. Der arme Kerl ist vom Polizeidiener mit Seife eingeschmiert worden, und dann haben sie ihn mit der Wurzelbürste so kräftig abgeschrubbt, dass er grün und blau geworden wäre – wenn er weiß gewesen wäre.
Aber geholfen hat das alles nichts. Der Mohr ist schwarz geblieben, weil er es eben ein wirklicher waschechter Sohn Afrikas war. Als den Bayreuther diese Erkenntnis dämmerte, schauen sie verständlicherweise reichlich dumm aus der Wäsche.
Der Mohr, so heißt es in Einsiedel Geschichtla, soll also „recht dreggerd“ gegrinst haben. Und dann ist die ganze Karawane wieder abgezogen. Seitdem haben die Bayreuther den Spitznamen Mohrenwäscher weg.
Das hätten sich die alten Bayreuther Mohrenwäscher freilich nicht träumen lassen, dass ihr Städtchen eines fernen Tages sogar eine Universität mit dem Forschungsschwerpunkt Afrikanologie erhalten würde. Und dass schwarze Mitbürger zum ganz normalen Alltag gehören würden, gegen die sich keine Wurzelbürste mehr erhebt.
Der Spottname für die Bayreuther
Weil sich „der Mohr“ in Einiedels Erzählung also angeblich über die verdutzten Gesichter der Bayreuther amüsiert haben soll, erhielten die Bayreuther also ihren Spottnamen „Mohrenwäscher“. Die „Mohrenwäscher“-Legende muss also in einem Kontext mit dem „Bärentreibern“ aus Bindlach, den „Bummel-Henkern“ aus Weißenstadt oder den „Zwiebeltretern“ aus Bamberg gesehen werden. Es sind Orts- Necknamen, mit denen die Bürger von ihren Nachbarn verspottet wurden.
Der Mohrenwäscher-Orden
Deshalb tauchte die Bezeichnung in Bayreuth immer wieder auf. So verteilte die Bayreuther Bürgerressource bei ihrem berühmten Rosenmontagsfasching in der Stadthalle („Die heiße Nacht am kühlen Tappert“) jeweils an eine Person den „Mohrenwäscher-Orden“, die Brüder Klaus und Gerhard Gollner vertreiben seit vier Jahrzehnten den bekannten Kräuterbitter „Bayreuther Mohrenwäscher“ und seit Faschingsdienstag des Jahres 2006 gibt es die Faschingsgesellschaft der „Mohrenwäscher“.
Die Karnevalisten ernannten Klaus und Gerhard damals zu „Gründungspaten“. Als die Brüder von den Karnevalsfreunden gefragt wurden, ob es gestattet sei, dass der Begriff nun zweimal in der Festspielstadt geführt wird, sagten sie spontan zu. Die neue Faschingsgesellschaft hatte ihren traditionellen Namen…
Das Mohrenwäscher-Wappen wurde in den Farben Blau, Rot, Gold ausgewählt. Es zeigt in Anspielung auf die historische Begebenheit einen Mohren beim Bad in einem Waschbottich, sowie fünf Sterne für die Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes.
Schon im ersten Jahr wurde der Verein Mitglied im Fastnacht-Verband Franken, im Bund Deutscher Karnevalisten, in der Närrischer Europäischen Gemeinschaft, im Bayerischen Landessportverband, im Fremdenverkehrsverein und beim Stadtsportverband.
Fasching für Menschen mit und ohne Handicap
Die „Mohrenwäscher“ haben sich in den letzten Jahren vor allem durch ihre Prunksitzung für „Menschen mit und ohne Handicap“ verdient gemacht. Für Jürgen Völkel, der seit 2006 Präsident der „Mohrenwäscher“ ist, sieht den Lokalkolorit, also Politik, Geschehnisse und Vorkommnisse in Bayreuth, soll im Mittelpunkt, denn ob sich die Geschichte von Friedrich Einsiedel tatsächlich ereignet hat, wird man nicht mehr feststellen können.
Die Faschingsgesellschaft Bayreuther Mohrenwäscher. Foto: FG Bayreuther Mohrenwäscher
Bericht im Bayreuther Tagblatt
Immerhin gab es im Jahr 1857 eine Randnotiz im Bayreuther Tagblatt, dass Gerüchte über einen falschen Mohren im Umlauf waren, „die“, so heißt es in dem Artikel, „aber jeder Realität entbehren“.
Es ist natürlich sehr unwahrscheinlich, dass die Bayreuther in dieser Zeit noch die Hautfarbe eines Afrikaners auf Echtheit prüfen wollten. Sollte sich die Geschichte tatsächlich zugetragen haben, liegt die Vermutung sehr nahe, dass sie tatsächlich „veräppelt“ werden sollten.
Der Printzessin Cammer-Laquey
Denn Mohren gab es nachweislich schon zwischen 1664 und 1784 in der Dienerschaft am Hofe der Bayreuther Markgrafen. Sie haben einheimische Frauen geheiratet und einige wurden – so beweisen es die Kirchenbücher – in der Stadtkirche getauft.
Im Jahr 1686 erhob Markgraf Christian Ernst zur Aufbesserung seiner Kriegskasse eine Kopfsteuer. In dem dafür akribisch-genau angelegten Verzeichnis über die Bayreuther Bevölkerung erscheint auch ein Mohr unter der Nr. 168 als Mieter bei Hutmacher Hans März in der Breiten Gasse (heute Sophienstraße): „Ein Mohr, der Printzessin Cammer-Laquey, sein Weib und drey Söhne.“
Johann Sebastian König (1741 – 1805) verweist in seiner Stadtchronik, dass im Juli 1784 der „alte Kammermohr und Pensionär Ernst Friedrich Albrecht Ludwig Gotthold, seiner Meinung nach älter als 70 Jahre verstorben“ ist. Und fügt an: „Er muss viel älter gewesen sein“.
„Fauxpas“ in der Jugendherberge
Eines soll jedoch nicht unerwähnt bleiben: Bei der Einweihung der städtischen Jugendherberge im Oktober 1975 am Kreuzsteinbad wurde das kupferne Reliefbild „Die Mo(h)rität“ mit einer Darstellung und Beschreibung der „Mohrenwäscher“-Legende enthüllt. Es war der erste Preis eines Jugendwettbewerbs.
Bernd Mayer: „Nicht allen gefiel diese Form Bayreuther Hetzpersiflage in unmittelbarer Nachbarschaft zur Universität, in der auch junge Afrikaner studieren. So empfand ein afrikanischer Pfarrer in den 80er Jahren die künstlerische Wiederaufbereitung der Mohrenwäscherei als „fauxpas“, der gerade in einer Jugendherberge peinlich sei.“
In der neuen Jugendherberge wurde das Relief nicht mehr aufgehängt.
Zum Abschluss, wie versprochen die Geschichte „Bareitä Mohrnland“ von Friedrich Einsiedel im Original:
„Mohrnland“ klingt doch auf und nieder, wie wenns a deitscha Kolonie druntn in Afriga wär. Wemer owä druntn schteht, dan mergt mer niggs davoo.
Bei der Herzogmihl nuch a weng weiter druntn is, a Schtell im rotn Maa, wo mer sich als Junges gabodt hot. Heigl hotmä jo net saa däffn walls eftersch vorkumma is, daß newer ann a Wasserratz aufgetaucht is. Und wos sen des oft für Trimmer Kerl gwesn! Do hotmä sich manchas Moll richtig forchtn. Also die Schtell haaßt Mohrnland. Worum?
Budn afn Obernplatz
Sell wermä glei hern. Do wor amoll – Ende der sechziger Johr solls gwest saa – a Schauschteller in Bareith. Der hot sei Budn afn Obernplatz khatt, dort, wo etzat der Kunstbrunner schteht. Des wor friher iwerhaubt der Blatz fir solcha Sachn, wen Kärwa wor und so.
Der gute Moo hot an Mohnr fir Geld sehng lossn. No, wall des sellmoll wos extriggs wor, sen halt ba die Bareithä Bärcha Zweifl laut worn, ob der Mohr aa echt is, und net ewä bloß gschwärzt.
Zweifl sen ärcher worn
Die Zweifl sen fort ärcher worn. Die Bareitha hamm gmaant, der Schausteller schiert sa aus, zeicht ihnan so an iggbeliebichn gschwärzten weißn Toochdieb, der wo sich dazu hergeem tut, als Mohrn, und lacht sich na Buggl vull, wennä widdä draußn is bein Dembl.
Wall sich der Machistroot in or vill neileng muß, hotä sich do aa neigleecht und hod den Mohrn nunter die Au fihrn lossn bi ons Wassä wisswi vom Krohahelzla. Der Kerl hot sich gschtraibt und gwehrt wie a Wildä. Die Polizeidiener hamm gedocht, der will net hoom, daß die Lumbererei rauskummt, und hamm halt net lugger glossn bisana ons Wassä higazerrt khatt hamm.
Mit Saafn eigschmiert
Und dann is die Hetz und die Gaudi losganga. Der Kerl is mit Saafn eigschmiert worn und dann hammsana mit der Worzlbärschtn abgfummelt, daßä gri und blau und gelb worn is, wenner weiß gwest wär. Der Mohr hot Schbring gmacht und is dort rumgetant, wie a Indianä, owä die Polizeidiener ham net noochglossn und hamm so lang weitägschrobbt, bis ihnan der Schwaaß hintn un vorna runtergloffn is.
Owä gholfn hots halt niggs. Der Mohr is schwarz gebliem, walls a wärglicher Schwarzer wor. Wiesa des geshng hamm, gratzn sa sich die Kepf, schau anandä recht schlau o, der Mohr grinst recht dreggat dazu mit seina weißn Zeh, und dann is die Karawanne widda abgschoom. Des muß a Fest gwest saa! Und seit dera glorreichn Zeit mißn sich die Bareithä die Mohrnwescher haaßn loßn.
Stephan Müller
Stephan Müller (55) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.