Dem Festspielchef zu Ehren: 100 Jahre Wolfgang Wagner
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Am 30. August 2019 wäre Wolfgang Wagner (1919 bis 2010) 100 Jahre alt geworden. Der jüngste Enkel Richard Wagners leitete die Bayreuther Festspiele fast sechs Jahrzehnte und prägte sie während dieser schier unvorstellbar langen Ära wie kein anderer. Eine seiner größten Lebensleistungen war sein Engagement um Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele nach dem zweiten Weltkrieg. Mit dieser Thematik hat sich bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller auseinandergesetzt.
Über ein halbes Jahrhundert Festspielleiter
Zum Abschluss der Bayreuther Festspiele 2008 ging mit dem Rücktritt von Wolfgang Wagner als Festspielleiter eine unglaubliche Ära zu Ende. Über ein halbes Jahrhundert, genauer 57 Jahre und damit 58 Spielzeiten, leitete der Enkel von Richard Wagner die Bayreuther Festspiele und hat damit wie kein Zweiter in der Geschichte die Festspiele geprägt und verkörpert. Am 30. August 2019 wäre er 100 Jahre alt geworden.
Erfolgreiche Wiedereröffnung
Seine Theater-Ausbildung begann Wolfgang Wagner im Jahr 1940. Nach einer Verwundung im Polenfeldzug wurde er im Alter von 21 Jahren aus der Wehrmacht entlassen und arbeitete an der „Preußischen Staatsoper Berlin“ und ab 1943 bei den „Meistersingern“ im Festspielhaus als Regieassistenten.
Wieland und Wolfgang Wagner hatten 1951 die Bayreuther Festspiele, die nach dem Weltkrieg sechs Jahre lang unterbrochen waren, erfolgreich wiedereröffnet. Über den bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Hans Erhard gelang es, das beschlagnahmte Festspielhaus und das gesperrte Festspielvermögen freizubekommen. Nun musste Geld gesammelt werden.
Geldgeber gesucht: Mit dem Motorrad quer durch Deutschland
Mit dem Motorrad fuhr Wolfgang Wagner quer durch Deutschland, um Geldgeber für einen Neuanfang zu suchen. Bei der Gründungsversammlung der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ am 22. September 1949 in Frankfurt lag den Gründungsmitgliedern ein Etat in Höhe von 700.000 Mark für die Finanzierung der ersten Festspiele im Jahr 1950 vor.
Doch im Juli 1950 schlug eine Nachricht aus Bremen wie eine Bombe ein: Die Intendanten der deutschen Rundfunkanstalten beschlossen, dass den Festspielen keine Lizenzgebühren für eine Übertragung gewährt werden sollten.
Daraufhin berief Dr. Hans Erhard eine Sitzung des Deutschen Bühnenvereins ein. Der Ausschuss kam zu dem einstimmigen Ergebnis, dass die Wiederaufnahme der Festspiele durch die öffentliche Hand durch Subventionen und Rundfunkgeldern gefördert werden sollten.
Viel Überzeugungskraft notwendig
Nun mussten die Rundfunksender überzeugt werden. Im September 1950 zwängten sich der Bayreuther Kulturreferent Karl Würzburger, Stadtschulrat Kuttenfelder und Wolfgang Wagner in einen Volkswagen, um die beschwerliche Rundreise von Bayreuth über Hamburg, Köln, Frankfurt und Baden-Baden nach Bremen anzutreten. Eine lange, aber erfolgreiche Fahrt auf den damals noch „holprigen“ Straßen.
Schon am 18. September 1950 bewilligte der Bayerische Rundfunk als erster ARD-Sender eine Kulturhilfe von 50.000 Mark. Einen Monat später beschloss der Landtag eine Subvention in Höhe von 200.000 Mark und die Stadt Bayreuth stellte weitere 100.000 Mark in Aussicht. Die Vorbereitungen für die Bayreuther Festspiele 1951 konnten beginnen.
Festspielleitung durch das Brüder-Duo
Die Brüder hatten sich schnell geeinigt, dass sich Wieland der künstlerischen Gestaltung annehmen sollte und Wolfgang weiterhin den „weltlichen“ Teil wie Finanzierung, Organisation und betriebliche Steuerung der Festspiele übernehmen sollte.
Schon während der Vorbereitung der ersten Nachkriegsfestspiele zeichnete sich ab, dass den Festspielen schnell wieder Zuspruch und großes Interesse entgegengebracht wurden. Berühmte Dirigenten wie Furtwängler, Knappertsbusch und Karajan wollten ebenso dabei sein wie Mitarbeiter des künstlerischen und technischen Personals. Im Jahr 1951 gingen die ersten Festspiele unter der Leitung der Brüder Wieland und Wolfgang Wagner über die Bühne.
Vom Organisator zum Regisseur
Ab 1953 inszenierte Wolfgang Wagner selbst in Bayreuth. Bis zu seinem Abschied als Regisseur im Jahr 2002 inszenierte er gerade einmal in zwei Jahren (1965 und 1966) nicht. Alle zehn großen Werke Richard Wagners brachte er in Neuinszenierungen auf die Bühne. Seine zwölf Inszenierungen waren in 461 Vorstellungen zu sehen. Ab 1969 holte Wolfgang Wagner verstärkt Gastregisseure nach Bayreuth. Mit August Everding kam der erste Regisseur, der nicht Wagner hieß. Es folgten – um nur einige zu nennen – Götz Friedrich, Patrice Chéreau, Harry Kupfer, Peter Hall, Werner Herzog, Dieter Dorn, Heiner Müller, Jürgen Flimm, Tankred Dorst oder Stefan Herheim.
Auch als Gastregisseur in der ganzen Welt
Als Gastregisseur präsentierte er den „Ring“ schon 1957 in Venedig. In den 80ern inszenierte er an renommierten Bühnen: So 1985 die „Meistersinger“ und 1988 „Der Fliegende Holländer“ an der Semperoper in Dresden. Im Jahr 1997 reiste er nach Tokio, um dort den „Lohengrin“ auf die Bühne zu bringen.
Wolfgang Wagners Inszenierungen im Festspielhaus
Von 1951 fanden bis heute 2.725 Aufführungen im Festspielhaus statt. Davon leitete Wolfgang Wagner ab 1967 bis 2008 genau 1.268 Vorstellungen in alleiniger Verantwortung. Der letzte Vorhang unter seiner Verantwortung fiel am 28. August 2008 nach einer „Parsifal“-Aufführung.
- Lohengrin: 1953 bis 1954 – 13 Aufführungen
- Holländer: 1955 bis 1956 – 13 Aufführungen
- Tristan und Isolde: 1957 bis 1959 – 15 Aufführungen
- Ring: 1960 bis 1964 – 48 Aufführungen
- Lohengrin: 1967 bis 1972 – 28 Aufführungen
- Meistersinger: 1968 bis 1975 – 43 Aufführungen
- Ring: 1970 bis 1975 – 65 Aufführungen
- Parsifal: 1975 bis 1981 – 39 Aufführungen
- Meistersinger: 1981 bis 1988 – 43 Aufführungen
- Tannhäuser: 1985 bis 1995 – 44 Aufführungen
- Parsifal: 1989 bis 2001 – 65 Aufführungen
- Meistersinger: 1996 bis 2002 – 45 Aufführungen
Sonderausstellung im Richard Wagner Museum
Zu seinem 100. Geburtstag würdigt das Richard Wagner Museum Wolfgang Wagners Persönlichkeit und seine überragende Lebensleistung als Intendant, Bühnenbildner und Regisseur in einer großen Jubiläumsausstellung. Die Ausstellung mit dem Titel „Der Prinzipal. Wolfgang Wagner und die ‚Werkstatt Bayreuth'“ ist im Haus Wahnfried bis Sonntag, 3. November 2019, zu sehen.
Text: Stephan Müller
Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.