Historisches Bayreuth – Allgemein

Stephan Müller öffnet für das bt sein Archiv und präsentiert hier die besten Anekdoten rund um Bayreuth. Mit dabei sind viele kuriose, informative und spannende Geschichten.

Das haben Kaiserin Sisi und Cosima Wagner gemeinsam

Am Sonntag, dem 24. Dezember 1837, kamen an ein und demselben Heiligen Abend zwei Mädchen zur Welt, die später beide weltberühmt wurden, sich auch begegneten und beide einen Bezug zu Bayreuth haben. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt zurück.


Christ- und Sonntagskind

Cosima, spätere Ehefrau von Richard Wagner, und Elisabeth, genannt „Sisi“, Kaiserin von Österreich sind die beiden Christkinder. „Sisi“ ist ein paar Stunden älter: Elisabeth kam um die Mittagszeit um Viertel vor elf Uhr im Herzog-Max-Palais in München zur Welt. Ihre Eltern waren Herzog Max Joseph I. in Bayern und Prinzessin Ludovika, Tochter von König Max Joseph.

Cosima wurde erst kurz vor Mitternacht, gerade noch am 24. Dezember 1837, am Comer See geboren. Sie war die zweite nichteheliche Tochter des damals schon berühmten Franz Liszt und der Gräfin Marie d´Agoult.

Cosima Wagner. Foto: Stephan Müller

An dieser Stelle sein angemerkt, dass sehr oft der 25. Dezember als Cosimas Geburtstag genannt wird. Dies liegt an Cosimas Tagebuch-Einträgen, in denen sie ihre Geburtstagsfeiern am ersten Weihnachtsfeiertag beschreibt. Grund dafür war, dass der Heilige Abend nicht ihr, sondern das „Fest“ für die Kinder sein sollte.

Beide „Sonntagskinder“ haben mit Bayreuth zu tun

Cosima Wagner lebte bekanntlich als Ehefrau und spätere Witwe von Richard Wagner fast 60 Jahre in Bayreuth. Auch „Sisi“ hat eine „Beziehung“ zu Bayreuth. Ihr Großvater väterlicherseits lebte fast zwei Jahrzehnte bis zu seinem Tod in Bayreuth, dabei in den Sommermonaten vornehmlich in der Eremitage. Es handelte sich um Herzog Pius von Bayern, der von den Bayreuthern nur der der „Klausner-Pius aus der Eremitage“ genannt wurde.

Begegnung in Bayreuth

Die beiden Damen sind sich auch in Bayreuth begegnet. Sisi war die Cousine von König Maximilian II., dem Vater des großen „Festspielförderers“ Ludwig II. Sisi und Ludwig waren sich sehr ähnlich. Sie verabscheuten höfische Zwänge, lasen fast täglich Bücher und liebten die Musik Richard Wagners.

Am 26. Dezember 1862 dirigierte Richard Wagner im Beisein der Kaiserin Elisabeth sein erstes Konzert im „Theater an der Wien“. Auf dem Programm standen das Vorspiel und zwei Szenen aus den „Meistersingern“ sowie „fertige“ Teile des „Rings“. Vor allem nach dem „Walkürenritt“ wurde schon während des Konzerts gejubelt.

Als Richard Wagner am Ende die Bühne betrat, brach ein langer ungeheurer Beifall los. Kaiserin Elisabeth beugte sich unter den erstaunten Blicken der Besucher applaudierend aus der Loge. Mit ergeben ausgebreiteten Armen dankte der Meister für diese besondere – selten erlebte – Huldigung, die Erzherzogin Sophie sogar eine Eintragung in ihr Tagebuch wert war.

Begeisterung pur

Die Kaiserin Elisabeth war offenbar von der Musik derart begeistert, dass sie im Januar 1863 drei weitere Konzerte mit Richard Wagner besuchte. Das war bereits mehrere Monate bevor Ludwig II. Richard Wagner in München erstmals begegnete und ihn zu seinem Hofkapellmeister berief (4. Mai 1864) und bevor Richard und seine spätere Frau Cosima im Haus Pellet am Starnberger See endgültig ein Paar wurden (29. Juni 1864).

Franz Xaver Winterhalter schuf 1865 das wohl bekannteste Ölgemälde von Kaiserin Elisabeth von Österreich mit den „Edelweiß-Sternen“ im Haar.

In Erinnerung an den 1886 verstorbenen Ludwig II. reiste Sisi auch nach Bayreuth, um im Sommer 1888 einer -von Cosima Wagner szenisch geleiteten – „Parsifal“-Aufführung im Festspielhaus beizuwohnen.

Auch hier war ihre Reaktion auf die Musik gefühlvoll:

Es ist etwas von dem man wollte, dass es nie endet, dass es immer so fortgeht.

Ihre Tochter, Erzherzogin Valerie, schrieb: „Mama war so entzückt, dass sie den Kapellmeister Mottl und die Darsteller des Parsifal und Amfortas zu sehen wünschte … ihre unpoetischen Erscheinungen nahmen etwas von der Illusion.“

Natürlich sprach die Kaiserin auch ausführlich mit Cosima Wagner, vor allem natürlich über Ludwig II., Sisis Neffen zweiten Grades. Cosima betonte die Ähnlichkeit von Ludwig und Sisi und sagte später zu Elisabeths Nichte Amélie, dass sie noch nie solche Ergriffenheit gesehen habe, „wie bei Tante Sisi nach dem ‚Parsifal'“.

Vierhändig am Klavier

Sicherlich werden sich Festspielleiterin und die Kaiserin auch über private Dinge unterhalten haben und es wird bestimmt von Cosimas Vater Franz Liszt, der damals vor zwei Jahren verstorben war, die Rede gewesen sein.

Als sich Kaiserpaar am Pfingstsamstag, dem 8. Juni 1867 in der Matthiaskirche von Budapest zum König und zur Königin von Ungarn krönen ließen, ertönte die „Krönungsmesse“, die Liszt eigens für diese Zeremonie komponiert hatte. Auch ist verbrieft, dass Sisi mit dem Klaviervirtuosen, der eine Kultfigur des damaligen europäischen Musiklebens war, vierhändig Klavier spielte.

Kein Thema war mit Sicherheit Lola Montez gewesen sein, die aber auch in beiden Familiengeschichten eine Rolle spielte.

Sanierung für 20.000 Gulden

Die damals 25-jährige verruchte Tänzerin war ab Oktober 1846 die Geliebte von Sisis Onkel, dem 60-jährigen Königs Ludwig I. Der Bayernkönig verliebte sich unsterblich in Lola Montez und änderte schon im November 1846 sein Testament zu ihren Gunsten. Wenige Tage später erwarb der Monarch für die Tänzerin ein Palais in der Barerstraße, das er für 20.000 Gulden sanieren ließ. Viele weitere Peinlichkeiten um Lola Montez, die beim Volk für viel Unruhe sorgten, trugen schließlich maßgeblich zum Rücktritt von Ludwig I. im Jahr 1848 bei.

Pikante Liebschaften

Auch der von den Frauen umschwärmte Franz Liszt hatte im Februar 1844, also vier Jahre vor Abdankung des bayerischen Königs, eine Liebschaft mit der rassigen Tänzerin. Lola lernte Liszt nach einem Konzert entweder am 24. Februar in Dessau oder am 25. Februar in Köthen kennen. Sicher ist, dass sie ihn nach seinem Konzert nach Dresden begleitete.

Pikant ist, dass sich der Pianist dieser Affäre offensichtlich nur mit Mühe wieder entziehen konnte. Man erzählte sich, dass Liszt Lola Montez im Hotelzimmer bereits am 29. Februar eingesperrt haben soll. Zumindest sprach sich herum, dass der Portier die Anweisung bekam „die Tobende erst zwölf Stunden nach seiner Abfahrt freizulassen“. Dafür hinterlegt Liszt vorsorglich einen „ansehnlichen Betrag“ für das vermutlich demnächst zertrümmerte Mobiliar.

Nein, über diese Frau werden sich die beiden „Sonntagskinder“ sicher nicht unterhalten haben ….


Text: Stephan Müller


Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.


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Bayreuths erste Kinos: Spargel statt Popcorn

Wer heutzutage ins Kino geht, kann die Geschichte auf der großen Leinwand mit allen Sinnen erleben, so als wäre er mittendrin. 3D- und ganz neu in Bayreuth 4DX-Technologien machen es möglich. Doch das war natürlich nicht immer so. bt-Autor Stephan Müller schaut zurück ins 19. Jahrhundert zu den Anfängen, als die ersten Filme in Bayreuth noch als Aneinanderreihung von Einzelbildern im ersten Kino der Stadt gezeigt wurden.


Erste Vorstellung im Alten Schloss

Im „Musenheim“ von Christian Sammet im Alten Schloss fand 1897 die erste Bayreuther „Kinovorstellung“ statt. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Der erste Bayreuther Kinofilm wurde im Alten Schloss gezeigt. In dem Gebäude in dem heute das Finanzamt residiert, hatte der Fotograf und Musenwirt Christian Sammet (1862 – 1920) sein Musenheim eingerichtet. Als im Jahr 1892 das Festspiellokal  „Angermann“, die Stammkneipe von Richard Wagner, und der Gasthof „Weißes Lamm“ dem modernen Postgebäude in der Kanzleistraße weichen mussten, ergriff das geschäftstüchtige Bayreuther Original die Gunst der Stunde. Er holte das Angermannsche Inventar über die Straße in sein Lokal im Alten Schloss. Für die nächsten 16 Jahre war sein berühmtes Musenheim das „Absteigequartier für die Bühnen-Weihe-Festspielgäste“.

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Wotan-Schinken und Siegmunds Stangenspargel statt Popcorn

Die Dirigenten Hermann Levi, Hans Richter, der Schauspieler Josef Kainz und die gesamte Sängerelite tummelten sich in Sammets Musenstübchen. Sie bekamen „Fafner-Haxn“, „Kundry-Schnitzel“, „Wotan-Schinken“, „Hundings-Keulen“ und „Evchen-Kotelett“ serviert. Besondere Spezialitäten waren „Mime-Eier“ und „Siegmunds Stangenspargel“. Sammet machte aber auch als Produzent und Veranstalter von musikalischen Darbietungen, Varietéveranstaltungen und auch als erster „Kinoveranstalter“ von sich Reden. So warb das „Unikum“ erstmals im Jahr 1897 von einer Vorführung „lebender Photographien“ in seinem Musenheim, in das die Bayreuther über einen Gartensalon an der Kanalstraße gelangten.

„Hochinteressant!“ und „Fotographie in Lebensgröße“: So wirbt Christian Sammet für die erste Kinematographen-Vorstellung in seinem Musenheim. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Es sind nicht todte Figuren, die man sieht, sondern sich bewegende Gestalten und nicht bloß eine oder zwei Figuren, sondern eine Reihe und noch mehr auf einmal.

(Das Bayreuther Tagblatt 1897)

Weitere Kinovorstellung zwei Jahre später

Auch wenn das erste Kino ganz sicher nur eine Aneinanderreihung von Einzelbildern war: Der wohl sehr große Erfolg animierte Sammet gut zwei Jahre später zur nächsten Kinovorstellung: „Ein jeder, der es sieht, ruft aus: Wunderbar!“, ließ er verkünden. So sahen die Bayreuther im Februar 1899 einen Bismarck-Film, in dem der alte Kanzler mit Hund zu sehen war. Weitere Kinoveranstaltungen im Musenheim sind uns nicht bekannt. Wegen eines Besitzerwechsels verabschiedete sich Sammet im Jahr 1908 als „Festwirt der grande nation“, ab diesem Zeitpunkt ging der Stern der „Eule“ als Künstlerkneipe auf.

Kinovorführungen zwischen Schiffschaukeln und Karussellen

Auf  „Theater der lebenden Photographien“ mussten die Bayreuther aber nicht verzichten. Auf den Messen und Kirchweihveranstaltungen boten ab 1900 immer mehr Kinematographen den staunenden Besuchern ihre Dienste an. Sie reihten sich zwischen den Karussellen, Schiffschaukeln, Zirkusdarbietungen und Schaubuden auf den Festplätzen ein. Die erste Vorstellung dieser Art bot der Kinematograph D. Dölle aus Fürth an, der sich am 10. Januar 1901 für den Bayreuther Pfingstmarkt am „Mainplatz“ (heute Mainstraße) bewarb und quasi vom 9. bis 17. Mai Organisator der ersten Bayreuther Filmwoche war. Welche Filme er gezeigt hat, ist leider nicht bekannt.

Schlüpfrige Filme für die Herren

Was wir aber wissen, ist, dass die städtische Obrigkeit, die Gendarmerie und wohl auch die einheimischen Damen in den Folgejahren schon genau hinschauten, was die neue Zunft der Kinematographen der Bayreuther Männerwelt zwischen 1901 und 1905 so darbot.

Allein die Titel „Dinna Diana entsteigt dem Bad“, „Leben einer Pseudo-Baronesse“ und „Die Liebe in allen Stockwerken“ machten die Herren neugierig und prüde Bürokratie hellhörig.

Central-Theater: Erstes Kino in Bayreuth

Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Im Jahr 1908 war es dann soweit. In Bayreuth wurde das erste ortsfestes Kino gebaut. Die Unternehmer Joseph Mengele und Christoph Frank eröffneten am Sonntag, 18. Oktober, das „Central-Theater„, Bayreuths  „erstes, größtes und vornehmstes Theater lebender Photographien„. Es entstand am Ende der heutigen Wölfelstraße am Josephsplatz und hatte Platz für 500 Zuschauer. Im „Central“ erlebten die Bayreuther auch die ersten „Tonbilder“, die als Vorläufer des Tonfilms gelten. Das Kino sollte lange bestehen. Auch nach dem zweiten Weltkrieg wurde es von 1949 bis 1964 noch einmal bespielt, ehe der Josephsplatz – auch durch den Bau des „Ring“-Hochhauses eine neue Gestalt bekam.

Schon zwei Jahre nach der Eröffnung des „Central“ eröffneten Mengele und Frank ihre zweiten „Lichtspiele“. Am 9. Januar 1910 reichte der Bayreuther Maurermeister Max Köppel den Plan für einen Wohn- und Wirtschaftsneubau in der Kanalstraße 15 ein. Der Plan sah auch das „Union-Theater“ vor, das bereits am 8. Oktober 1910 durch Bürgermeister Albert Preu eingeweiht werden konnte.

Mengele und Frank schufen sich mit ihren beiden Kinos eine enorme Vormachtstellung, sodass sich weitere Kinobetreiber in den Folgejahren sehr schwer taten.

Weitere Kinematographen steigen ins Geschäft ein

Dennoch erscheinen in dieser Zeit noch weitere Kinounternehmer auf der städtischen „Kinematographenliste“. Von  1916 bis 1920 betrieb der Fotograf Johann Konrad Friedel aus der Hirschenstraße ein „Lichtspielunternehmen“, von November 1921 bis Februar 1922 versuchte sich Josefine Wagner in der Rathstraße 4. Auch nicht besonders lang hielt sich Martin Wülfert mit seinem „Apollo“ in der Karlstraße (heute: Albert-Preu-Straße). Wülfert hatte sich bis 1922 in der früheren Ludwigsturnhalle des Turnerbundes eingerichtet, die dann nur wenig später der Spitzhacke zum Opfer fiel.

Erfolgreiche Bayreuther Kinos

Die „Kammer-Lichtspiele“ in der Schulstraße. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Viel erfolgreicher war hingegen die Initiative von Karl Haase, der zunächst das „Central“ (nun „Zentral“) übernahm und zu Beginn der 20er-Jahre das „Lichtspielhaus Sonne“ in der Richard-Wagner-Straße 6 eröffnete. Das Kino wurde später als „Blücher-Lichtspiele“ und „Bali“ (Bayreuther Lichtspiele) weitergeführt. Als zweites Haus eröffnete Haase wenig später die „Reichshof-Lichtspiele“ in der Maximilianstraße 28. Ebenfalls von Erfolg gekrönt war die Investition von Richard Borns, der am 20. Oktober 1925 die Konzession für die „Kammer-Lichtspiele“ in der Schulstraße 15 erhielt. Die drei Kinos „Reichshof“, „Kammer“ und „Blücher“ beherrschten das Bayreuther Kinoleben bis zum zweiten Weltkrieg.

Das Kino in der Richard-Wagner-Straße wurde in den 20er-Jahren als „Lichtspielhaus Sonne“ eröffnet, wurde dann aber später als „Blücher-Lichtspiele“ und „Bali“ weitergeführt. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Nach dem Krieg wurden am 16. Februar 1950 die „Stadthallen-Lichtspiele“ mit „Figaros Hochzeit“ von Siegfried Thomas eröffnet, ehe sich von 1956 bis 1970 der „Filmpalast“ in der Bahnhofstraße als erfolgreichstes Kino etablierte.

Handarbeit: Bayreuther gestaltet Filmplakate

Aus dieser Zeit gibt es noch zahlreiche Filmplakate, die der Bayreuther Grafiker und Plakatmaler Eberhard Loew schuf. Mit wetterfesten Temperafarben und einem Lohn von 17,50 Mark pro Einzelstück fertigte der Maler für die „Stadthallen-Lichtspiele“ von Hand die Filmplakate an. Loew, der erst vor Kurzem mit über 90 Jahren gestorben ist, erzählte, dass viele Filme nur wenige Tage liefen, sodass er „nicht selten“ zwei oder dreimal in der Woche zum Pinsel greifen musste. So entstanden weit über 1.000 Filmplakate mit Schauspielern wie Heinz Rühmann, Hans Moser, Theo Lingen, Luis Trenker und den amerikanischen Filmstars Gary Cooper, Errol Flynn und vielen anderen.

Die Familie Thomas betrieb in den 70er- und 80er-Jahren das Reichshof-Kino, das Kino-Center und das Rex-Kino in der Brandenburgerstraße. Die Thomas Filmtheater GmbH schloss ihre drei Kinos und baute gleichzeitig mit dem Rotmain-Center das „Cineplaza„, das 1997 eröffnete und inzwischen in „Cineplex“ umbenannt wurde.


Text: Stephan Müller



Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

 

Kaiserin Sisi: Ihr Großvater war ein Bayreuther

Sisi ist weltberühmt. Doch was viele nicht wussten: Die Kaiserin hat Verbindungen zu Bayreuth. Alles zum Thema gibt’s hier im Artikel!

Kunst, Humor und Freundschaft – das sind die Niederländter

Sie freuen sich auf ihren Festakt am 21. März 2020. Dann feiern die „Niederländter“ ihr 150-jähriges Bestehen. Der Männerbund wurde vor 150 Jahren, am 7. Februar 1870, gegründet. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt auf die Geschichte der Niederländter zurück.


Einer der Höhepunkte der Feier zum 150. Geburtstag ist die Enthüllung eines Denkmals auf der Mainüberdachung, in direkter Nähe zur alten, im Krieg zerstörten, Kaserne: Ein großer Lindwurm, das Wappentier der Niederländter. Die Gesellschaft hat die Skulptur durch den Künstler Manfred Reinhart aus Rauhenebrach-Untersteinbach gestalten lassen und der Stadt Bayreuth geschenkt. Sie stellt das Symbol, den „Lindwurm“ dar, so wie ihn von Nagel als den Bewacher des Niederländter Schatzes, der Pflege von Kunst, Humor und Freundschaft, ersonnen hat. Der Hauptausschuss des Stadtrates hat die Schenkung der rund 2,50 Meter hohen und drei Tonnen schweren Plastik im November mit großer Mehrheit angenommen und damit die Aufstellung der Skulptur genehmigt.

Ludwig von Nagel bzw. Adrian van Os. Foto: Stephan Müller

 Gründung der „Schwaabengesellschaft“

Im Jahr 1868 gründete Ludwig von Nagel, Oberleutnant des 6. Chevaulegersregiment in Bayreuth mit einigen Freunden die „Schwaaben­gesellschaft“. Der Name kam von den Wirtsleuten Schwaab, in deren Gaststätte sich die Männer regelmäßig trafen.

Es dauerte aber nicht lange, bis von Nagel und einigen Freunden der Ton bei den „Schwaaben“ zu rau wurde. So trafen sich die Männer erneut, um „auf gepflegterer Ebene einen neuen Bund“ zu gründen. Am 7. Februar 1870 kamen im Gasthaus „Zur Sonne“ in der heutigen Richard-Wagner-Straße elf Männer zusammen, die unter dem Motto „Froh‘ Gemüt, geschickte Hand“ eine frohsinnige, keinesfalls elitären, aber geistvollen und vielleicht auch selbstironischen Bund ins Leben zu rufen. Neben dem Frohsinn sollten das Maltalent, das Musizieren, eigene Gedichte oder das Basteln im Mittelpunkt stehen. Beruf, Alltag und Politik blieben bei den Zusammenkünften ausgespart.

Foto: Stephan Müller

Nun fehlte nur noch ein Name für den Männerbund. Ludwig von Nagel, der auch ein begabter Kunstmaler war, erinnerte sich an ein Buch, das ihm zufällig in die Hände fiel. Ein Buch, das die Geschichte der altniederländischen Maler und Malergilden zum Thema hatte. Dabei kam ihm der Gedanke, dass doch seine musikalisch oder künstlerisch veranlagten Freunde sehr viel mit den niederländischen Gilden gemein haben.

„Froh‘ Gemüt, geschickte Hand, Rathsherr und Lump, Hoch Niederlandt!“

Und so gaben sich die Männer der neuen Gesellschaft den Namen: „Societät der Niederländter“und „Mahlkasten“. Am Schluss der Veranstaltung wurde Ludwig von Nagel im Kreise der elf „Ur-Mynherrn“ zum Vorsitzenden gewählt. Der Wahlspruch lautete nun: „Froh‘ Gemüt, geschickte Hand, Rathsherr und Lump, Hoch Niederlandt.“

Ludwig von Nagel erhielt den niederländtischen Namen Adrian van Os, seine Freunde hießen van Dow, van Potter oder van Honthorst. Als Erkennungsruf hallte fortan „VAN“ durch die Versammlungsstätten. VAN wie „vivat amicitia nostra“, „Es lebe unsere Freundschaft.“

Im Protokoll heißt es, dass sich „am 7. Februarius 1870, als dem Tag des Sankt Romuald bei gar kaltem Ostwind elf Stück der Niederländter versammelten. Sie aßen gesottenen Fisch neben welschem Salat. Es wurden viele Reden getan und Hochs ausgebracht, auch auf dem Spinett gar zierlich gespielet und man hat sich erlustieret bis gen Mitternacht.“

Foto: Stephan Müller

Die glückliche Zeit währte allerdings nicht lange. Der deutsch-französische Krieg 1870/71 rief die Soldaten in das Feld, viele Offiziere wurden versetzt, so dass der die Treffen des „Mahlkasten“ ab 1874 nicht mehr stattfinden konnten. Im Jahr 1876 gründeten einige „Niederländter“, die früherdem Bayreuther „Mahlkasten“ angehörten, eine eigene Societät in Würzburg.

Durch die Kriegswirren, die zahlreichen Versetzungen und wohl auch dadurch, dass Richard Wagner die Bayreuther von seinem Erscheinen im Jahr 1871 bis zu seinem Tod 1883 in seinen Bann zog und die „Richard-Wagner-Verbände“ starke Mitgliederzuwächse hatten, erlebten die Niederländter in Bayreuth dagegen eine längere Durststrecke.

Bayreuth ist Niebelungenreuth

So kam es am eigentlichen Gründungsort erst nach Wagners Tod im Februar 1885 wieder zu einer Neugründung. Die neue Bayreuther Societät wurde selbst „Urstätt“ getauft, der Sitz wurde als Hommage an Richard Wagner „Niebelungenreuth“ genannt, das Wappentier der Lindwurm.

Die Societät traf sich zunächst in der „Sonne“, später in der Restauration „Angermann“, also der früheren Lieblingswirtschaft von Richard Wagner, die 1891 dem Neubau des Postgebäudes (heute Kanzleistraße) weichen musste. So zog es die Niederländter unter anderem in die Mainstraße in das Lokal „Preßlein“, das später als der „Frühhaber“ oder das „Podium“ zum Begriff wurde. Dann trafen sie sich über 60 Jahre in der Alexanderstraße, ehe nun vor ein paar Jahren das Prinzessinnenhaus in St. Georgen das neue Domizil wurde.

Foto: Stephan Müller

Zwei Bürgermeister waren Niederländter

Berühmte Bayreuther Niederländter früherer Jahre waren die Bürgermeister Leopold Casselmann als „Lukas van de Capelle“ (1886) und Albert Preu (1898) als „Allart van Putterhoek“.

Ausgehend von Bayreuth und Würzburg erfuhr Niederlandt in Bayern und den damals zu Bayern gehörenden Gebieten eine weite Verbreitung. Heute gibt es über 400 „Niederländter“ in 20 Städten in Bayern, der Pfalz und in Bonn. Der Gründungsort, die Urstätte bleibt aber Bayreuth, in der Sprache der Niederländter „Die Urstätt in dembe Niebelungenreuth“. Der Sinn und Zweck der Zusammenkünfte blieb über die fast 150 Jahre gleich. Auch heute treffen sich die Niederländter meist zweimal im Monat in ihrem urigen ,,Lokälyn“, um zu dichten, zu malen, zu musizieren und um die Geselligkeit zu pflegen. Unter anderem in Hallstadt (Geuszkanne in deme Babinbergh), Regensburg (Bruck´n ze Regansbourigh), München (Krug in der Mönchstätt), Nürnberg (Treekschuyten ze Norimberghe) oder in Landau/Pfalz (Hoogschans zu Landawen) Soziätäten.

Jährliche Treffen in Pappenheim

Höhepunkte im Jahreslauf der Niederländter Societäten sind in den letzten Maitagen das Treffen aller Niederländter zur „Großen Weltumsegelung“ im festlich geschmückten Städtchen Pappenheim an der Altmühl und das traditionelle familiäre Weinfest Anfang September in Landau in der Pfalz.

Zahlreiche Herrengesellschaften

In Bayreuth gibt es neben den „Niederländtern“ mit den „Wilden Indianern“, den vom damaligen Oberbürgermeister Hans Walter Wild gegründeten „Braunbierrittern“, dem „Orden des Waldvogels“ oder der „Schlaraffia“ immer noch mehrere Herrenbünde, die sich allesamt kreativ – und oft unbemerkt von der Bayreuther Bevölkerung – selbst auf die Schippe nehmen: Jenseits von hektischem Alltagsgewühl und strapaziösen Freizeitzwängen schaffen sie sich ein „Gegenreich“ unbeschwerter Lebensfreude.

Foto: Stephan Müller

Älteste Herrengesellschaft in Bayreuth

Die 1870 gegründete „Societät der Niederländter“ ist heute jedoch die älteste Herrengesellschaft in Bayreuth. Auch wenn zu den Treffen in „Niederlandt“ Damen nicht zugelassen sind: Die Herren freuen sich, dass dies von den „Mynfrauen“ toleriert wird. Dafür bedanken sich die Niederländter mit der „Mynfrauenwacht“, die dann in besonders festlichem Rahmen begangen wird.


Text: Stephan Müller


Warum die Bayreuther fast nackt durch die Gassen liefen

Hobby-Historiker Stephan Müller erklärt, was es mit den Badehäusern und Badestuben in Bayreuth auf sich hatte – und wo es diese gab.

Die Geschichte der Bayreuther Markgrafentochter – mit Briefen fing es an

August der Starke ist der wohl bekannteste sächsische Herrscher. Er wurde 1670, als zweiter Sohn des Kurfürsten Johann Georg III. geboren und 1694, nachdem sein älterer Bruder Johann Georg IV. an den Blattern verstorben war, Kurfürst von Sachsen. Weniger bekannt ist, dass seine Ehefrau Christiane Eberhardine, Tochter des Markgrafen Christian Ernst, eine Bayreutherin war. Zum ersten Mal sahen sich Friedrich August und Eberhardine, als Markgraf Christian Ernst dem sächsischen Hof in Dresden im Jahr 1687 einen Besuch abstattete. Die damals 15-jährige Prinzessin war ein ausnehmend anmutiges und hübsches Mädchen, war groß gewachsen, hatte eine „vornehme“ blasser Haut und langes blondes Haar. Sie war bescheiden, sittsam und intelligent und machte somit mächtig Eindruck auf August. So wanderten immer häufiger Briefe und Geschenke zwischen Bayreuth und Dresden hin und her, bis schließlich Johann Georg III. für seinen Sohn beim Markgrafenpaar um Christiane Eberhardines Hand anhielt.

Doch in Bayreuth war August wahrlich nicht die erste Wahl. Mutter Sophie Louise hielt den lebenslustigen Wettiner für keinen soliden Ehemann. Nachdem mit Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg und einem dänischen Prinzen noch weitere Bewerber zur Auswahl standen, spielten die Bayreuther erst einmal auf Zeit. Schließlich hatte der Verehrer aus Dresden auch einen älteren Bruder und würde wohl kaum Regent werden.

„Ihr gedreister Knecht“

Nach langem Hin und Herr willigte der Markgraf aber doch ein und Friedrich August griff freudig zur Feder: Am 27. August 1692, schrieb er Eberhardine einen überschwänglichen Brief an die „scheenste Prinzessin von der ganzen Welt“, einen Brief, den der Bayreuther Historiker Karl Müssel als „verliebte(s) Gestammel eines jungen Mannes“ bezeichnete, das „von der sächsischen Mundart bestimmt wurde.“

Der Brautwerber erklärt seiner „Durchleichtigste princessin“ sein Entzücken über das „glickliche Jawohrt“ und verspricht: „Sie haben in ihren henden einen gehorstamsten schlafen (Sklaven) glicklich und unglicklich zu machen.“ Die Unterschrift: „Ihr gedreister Knecht Friedrich August Herzog von Sachsen.“

„Allhier hochfürstliches Beilager gehalten“

Die Trauung ging am Dienstag, den 10. Januar 1693 in Bayreuth über die Bühne. Im Kirchenbuch steht unter diesem Datum, dass die „Ehe geschlossen“ und „allhier hochfürstliches Beilager gehalten“ wurde. Es war das wohl festlichsten Ereignis des Bayreuther Hofes im 17. Jahrhundert. Anzumerken ist, dass es im Jahr 1700 eine Kalenderreform gab, so dass der Hochzeitstag sieben Jahre später nach dem neuen System auf den 20. Januar 1693 geändert wurde.

Die Festlichkeiten mit Banketten und Opernaufführungen dauerten vier Wochen. Einer der Höhepunkte war das Hochzeitsgeschenk von Markgraf Christian Ernst an seine Tochter. Es ist überliefert, dass Christiane Eberhardine eine riesige Torte gebracht wurde aus der der kleine Johann Tramm sprang. Der Hofzwerg war der „Liebling“ von Christian Ernst. Er war etwa „zwei Schuh“, also nur etwas über 60 Zentimeter, groß. Der kleine Mann war sehr beliebt, er genoss am Bayreuther Hof „Narrenfreiheit“ und vergnügte die Hofgesellschaft mit seinen Späßen.

Einzug in Dresden

Am 17. Februar 1693 kam die Hochzeitsgesellschaft in Dresden an. Als die Kutschen durch das Stadttor fuhren, begannen alle Kirchenglocken zu läuten. Das Brautpaar wurde von den prächtigen Hoftrompetern und der jubelnden Einwohnerschaft empfangen. Es folgte ein Bankett im Jägerhof und wie schon in Bayreuth Feste und Vergnügungen. Kurz nachdem die Prinzessin nach Dresden übergesiedelt war, zog August zunächst nach Norddeutschland in den Krieg, um Dänemark im Kampf um das Herzogtum Lauenburg beizustehen. Danach unternahm er, wie zuvor schon einmal als Junggeselle, eine sicherlich wenig langweilige Kavalierstour zum Karneval nach Venedig, nach Rom und Neapel.

Eberhardine blieb einsam zurück. Am 11. Februar 1694, also nur etwas über ein Jahr nach der Hochzeit, schrieb sie, immer noch in ihren Gemahl verliebt, ihrer Mutter:

„Der Hertzog würd stüntlich erwartet und verlanget mich gar ser, ihm wider hir zu wißen. Er ist alle zeit gesunt geweßen. Die lustparkeiten aber zu Venisse sollen gar Schlegt geweßen seyn, als glaube, es würd ihm wohl gereuen diese reise gethan zu haben, welche ich wünsche, so verbleibt er ein anter mahl bey mir.“

Die Markgrafentochter Christiane Eberhardine von Brandenburg. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Friedrich August wird Kurfürst

Am 27. April 1694 kam August dann überraschend an die Macht. Sein älterer Bruder, Kurfürst Johann Georg IV., war mit 27 Jahren an den Blattern gestorben. Plötzlich war August Herrscher von Sachsen. Auf ein Kondolenzschreiben ihrer Mutter zum Tod des kurfürstlichen Schwagers und ihrem plötzlichen Aufstieg zur Kurfürstin von Sachsen antwortete Christiane Eberhardine am 4. Mai 1994:

Welcher geschwinter Todt, wie Euer Gnaden leicht glauben können, eine ser große affligtion bey unß allerseitz verursagt hatt. … Viel mehr aber sage ich unterthenigsten Danck vor die freude, so Euer Gnaden mir temoingiren, daß es dem großen Gott gefahlen, die Chur nuemehro dem Hertzog als nun Churfürst mit zu theilen und ich auch dadurch zu einer größeren wührte gelanget.

Der Thronfolger kommt auf die Welt

Es dauerte noch bis in das vierte Ehejahr, ehe am 7. Oktober 1696 mit dem Kurprinzen Friedrich August (II.) der einzige Sohn des Paares geboren wurde. Anlässlich der Geburt schenkte August seiner Frau das Schloss Pretzsch, die an der Elbe – und war sie los … Aus der Hoffnung eines glücklichen Ehelebens wurde nichts. Sie hatte ihre dynastische Pflicht erfüllt und er kränkte sie maßlos damit, dass er als „unwiderstehlicher Liebhaber“ wahrgenommen werden wollte und seine Zeit mit seinen zahlreichen Mätressen verbrachte. Mehrere Jahrzehnte später beurteilte die Bayreuther Markgräfin Wilhelmine, die in jungen Jahren selbst einmal in das Visier von August den Starken geriet, in ihren (geschwätzigen) Memoiren die Sachlage so:

„Er unterhielt eine Art Harem der schönsten Frauen seines Landes. Als er starb, berechnete man, dass er von seinen Maitressen 354 Kindern gehabt habe.“

Das scheint natürlich maßlos übertrieben. Belegt sind acht uneheliche Kinder von August dem Starken, die er mit sechs verschiedenen Mätressen gezeugt hat. Aber auch sonst ließ sie in ihren Memoiren kein gutes Haar an ihm:

(…) Sie kamen auf den Einfall, mich mit dem König August von Polen verheiraten zu wollen. Dieser zählte damals neunundvierzig Jahre. Seine Liebeshändel waren weltberühmt; er besaß große Eigenschaften, doch wurden sie von seinen zahlreichen Fehlern verdunkelt. Eine zu große Vergnügungssucht ließ ihn das Wohl seines Staates und seiner Untertanen vernachlässigen, und seine Trinksucht verleitete ihn zu Unwürdigkeiten, deren er sich im trunkenen Zustand schuldig machte und die auf immer seinen Namen schädigen werden.

Die Betsäule Sachsens

Zu einem handfesten Krach des jungen Ehepaars kam es ab dem Frühjahr 1697 aber aus einem anderen Grund: August wollte König von Polen werden. Um dafür überhaupt in Frage zu kommen, konvertierte er am 2. Juni 1697 in Baden bei Wien heimlich zum Katholizismus und verlanget dies auch von Christiane Eberhardine. Die strenggläubige Protestantin, die dreimal am Tag zur Kirche ging und sich auch beim Aussuchen von Liedern für das evangelische Gesangbuch beteiligte, lehnte es kategorisch ab, ihr lutherisches Bekenntnis aufzugeben. Damit gewann die die Sympathie des sächsischen Volkes, die für Augusts Handlungsweise nicht das geringste Verständnis aufbrachten. Mit ihrem Verhalten, dass ihr bis heute die (lobende) Bezeichnung „Die Betsäule Sachsens“ einbrachte, wurde sie ungewollt zu einem Faktor der europäischen Politik. Letztlich musste Christiane Eberhardines Haltung auch Friedrich August akzeptieren. Eberhardine war auch nicht dabei, als August am 15. September 1697 gekrönt wurde, und sie hat Polen nie betreten.

Sie lebte zurückgezogen in Pretzsch, unterhielt dort einen großen Hofstaat, den August widerspruchslos finanzierte. Sie unternahm viele Reisen und kümmerte sich um die Erziehung verschiedener Prinzessinnen, darunter die Tochter ihres Bruders Markgraf Georg Wilhelm. Sie starb am 5. September 1727. An ihrer Beisetzung in der Stadtkirche Pretzsch nahmen wieder ihr Gatte noch ihr Sohn teil. Sie gilt bis heute als die tugendhafte unter allen Fürstinnen und aufgrund ihrer Charakterstärke gehört sie zu den großen Frauengestalten der Geschichte.


Text: Stephan Müller.


Hans Walter Wild: „Ich liebe es, in die Berge zu sch…“

Hans Walter Wild galt als ein glänzender Redner mit viel Überzeugungskraft. Anlässlich seines 100. Geburtstags am 27. November hat der geschichtsinteressierte Stephan Müller in den Geschichtsbüchern gestöbert und die besten Reden Wilds herausgesucht. Dabei ist er auch auf einen großen Fauxpax des Rhetorikers gestoßen.


Rede in Bayreuth: Oh lala!

Da saß Bayreuths Oberbürgermeiser nun in trauter Runde mit Stadträtinnen und Stadträten aus der neuen Partnerstadt Annecy und parlierte auch ein wenig in französischer Sprache.

Thema war das nahe Fichtelgebirge mit den Wintersportorten Warmensteinach und Bischofsgrün oder die Skipisten auf dem Ochsenkopf. Der Oberbürgermeister wollte der Runde mitteilen, dass er es liebt in den Bergen Ski zu fahren und sagte also:

I`aime chier dans les montagnes

Auch wenn das französische Wörtchen „chier“ auf dem Papier dem Wörtchen „Schier“ sehr ähnlich sieht und auch ein wenig ähnlich klingt: „Chier“ heißt im Französischen nun einmal „scheißen“. Hans Walter Wild teilte seinen verwunderten Zuhörern also mit, dass er es liebt, in die Berge zu „sch …“.

Hans Walter Wild mit den ersten „Politessen“ in Bayreuth. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Eine französische Stadträtin kommentierte die von Hans Walter Wild ausgesprochene Vorliebe nach einer wohl gesetzten Pause mit einem tiefen: „Oh lala la!“

Hans Walter Wild: Zitate aus seinen Reden

Es ist wohltuend, dass solch ein „Fauxpas“, der nach der Richtigstellung des anwesenden Übersetzers an diesem Abend für Stimmung sorgte, auch einem Mann wie Hans Walter Wild passieren kann. Ein weiteres „Fettnäpfchen“ ist uns auch nicht bekannt. Denn Hans Walter Wild war ein hervorragender Redner, der es in Sekundenschnelle verstand, sich auf seine Zuhörer, egal ob auf Politikprominenz, Bankdirektoren, einem Kegelclub oder bei einer Faschingsnarren, mit den richtigen Worten einzustellen.

Hier einige interessante Zitate aus seinen Reden und Interviews:

Es ist ermutigend, aber auch menschlich erhebend, dass wir 20 Jahre nach Beendigung dieses furchtbaren Krieges mit den Vertretern Annecys zusammen sein dürfen, um mit ihnen gemeinsam der Vergangenheit zu gedenken und mit ihnen über die Zukunft zu sprechen. (23.7.1966 zum Festakt der Städtepartnerschaft Bayreuth-Annecy)

Richard Wagner und Bayreuth – eines hat das Bild des anderen mitgeprägt. Ohne Bayreuth und seine Bürger wäre Wagners Festspielidee vielleicht nie und nirgends Wirklichkeit geworden, hätte der Name Richard Wagner nicht die volle theatergeschichtliche Bedeutung erreicht, die er heute hat. Aber ohne ihn, ohne seine Festspiele, wäre Bayreuth nicht Bayreuth. (23. Juli 1976).

Die Erfolge der Sportler der DDR kommen nicht nur aus der Küche des Staatssports mit seinen Möglichkeiten und Vorteilen. Sie sind auch getragen vom Selbstbewusstsein der Frauen und Männer aus dem Osten Deutschlands. Während wir in der Bundesrepublik Deutschland darauf verzichten, dass die eigene Fahne gezeigt und die Nationalhymne gespielt wird, bildet das Nationalbewusstsein der DDR, in übersteigerten Maße produziert, den Motor großartiger und ungewöhnlicher sportlicher Leistungen. (…). Auch wir Deutsche haben ein Recht auf dieses gesunde Selbstbewusstsein, ja ich meine sogar, wir haben auch die Pflicht zu solchem Selbstbewusstsein, wenn wir mit unseren westlichen Brudervölkern in einem künftig vereinten Europa bestehen wollen. (5. November 1968 zum Empfang der Schwimmerin Heidi Reineck, die in Mexico City Bronze gewann)

Mit seinen Hunden verbrachte Hans Walter Wild seinen Lebensabend in seinem Wohnsitz auf dem Gut Grunau. Foto: Stephan Müller

Mainz wie es singt und lacht, ist nicht Bareith, wie es schläft bei Nacht, und ein hiesiger Faschingsball ist noch lange kein rheinischer Karneval. Trotzdem keine Spur von Neid: Denn Köln ist zwar Köln, aber Bareith bleibt Bareith! Und wenn sie dort jubeln ihr „helau – alaaf“: Mir bleibn do Schwarz-Weiß und raunzen: „Awaaf!“ (9. Januar 1978)

Wir lehnen es ab, auf die Dauer immer neue weiterführende Schulen zu bauen und auf unsere Kosten Schüler auszubilden, die zwangsläufig in die Ballungsräume auswandern, weil es die für sie geeigneten, qualifizierten Arbeitsplätze in Oberfranken nicht mehr gibt … Wir wollen nicht zu einem Altersheim der Bundesrepublik werden. Wir wollen die Kraft unserer noch unverbrauchten Jugend nicht ständig an andere abgeben, die sich spät darauf besinne, dass in Oberfranken die Luft rein, das Wasser sauber und das Klima nicht rauh, sondern gesund ist… (6. Juni 1969)

Hans Walter Wild: Der streitbare Vollblutpolitiker

In Teil 14 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Hans Walter Wild, der Bayreuth sportlich und wirtschaftlich weit voran brachte.


Zweiter Oberbürgermeister nach dem Krieg

Als Nachfolger von Hans Rollwagen war Hans Walter Wild der zweite Oberbürgermeister nach dem zweiten Weltkrieg. Wild wurde am 27. November 1919 in Würzburg geboren. Im Jahr 1939 begann er in seiner Heimatstadt das Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studieren, ehe er schon 1940 als Soldat an die Ostfront und nach Afrika eingezogen wurde.

Als Kompanieführer geriet er 1943 in Kriegsgefangenschaft und kehrte erst 1948 zurück. Er setzte sein Studium in Würzburg fort und trat 1953 nach dem juristischen Staatsexamen in den Dienst der Stadt Bayreuth. Als SPD-Oberbürgermeisterkandidat setzte er 1956 gegen den renommierten Gegenkandidaten Dr. Fritz Meyer I. von der Bayreuther Gemeinschaft durch. Er war bis 1988 über drei Jahrzehnte Bayreuther Stadtoberhaupt.

Hans Walter Wild im Jahr 1961. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Der damalige Regierungspräsident Wolfgang Winkler lobte ihn am 31. Mai 1978 zum zwanzigjährigen Dienstjubiläum mit folgendem Zitat:

Seine Telefongespräche am Abend um halb sieben erschrecken mich immer derart, dass ich meiner Frau sage, der Wild ruft mich noch an, es dauert noch etwas länger mit dem Abendessen heute.

Wild war ein Oberbürgermeister, der seiner Stadt verpflichtet ist, der seine Stadt zu seiner Stadt gemacht hat, der hart und energisch sein kann, oft erschreckend durchsetzungsstark nach außen und innen. Auf der anderen Seite weich, empfindsam und gefühlvoll bis zu den Tränen rührbar, wenn es an das Innere geht. Winkler weiter:

Die Stadt Bayreuth ist ein Teil von Oberfranken, in seinen Augen ist Oberfranken die Umgebung von Bayreuth, Hof ist ein Vorort, Pegnitz eine Brücke zu Erlangen, und Nürnberg nicht etwa die heimliche Hauptstadt von Nordbayern, sondern in Wirklichkeit eine Trabantenstadt von Bayreuth. Ich wollte damit vielleicht etwas launig sagen: seine Stadt Bayreuth ist seine Stadt.

 

Wild holte die Uni nach Bayreuth

Hans Walter Wild hat sich mit der Entwicklung der Stadt einen unvergessenen Namen gemacht. Der streitbare „rote“ Vollblutpolitiker erkämpfte im „schwarzen“ Bayern für Bayreuth im Konkurrenzkampf mit anderen oberfränkischen Städten die Ansiedlung einer Universität, setzte sich für den Bau der Bundeswehrkaserne und der BGS-Kaserne auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes in Laineck ein und konnte durch die Vergrößerung des ersten Bayreuther Industriegebiets in St. Georgen viele neue Betriebe für Bayreuth gewinnen. Dadurch gelang es ihm, die Bevölkerungszahl von rund 61.000 (1956) auf 72.000 Einwohner (1988) und die Bedeutung der Wagnerstadt zu steigern.

Steckenpferd Sport

Nicht ohne Kritik blieb (allerdings erst aus heutiger Sicht) der Bau des Stadtkernrings mit der Mainüberdachung oder der Bau des Neuen Rathauses, weil beiden Projekten einige historische Gebäude zum Opfer fielen.

Sein ganz besonderes Steckenpferd war der Sport. Vor allem durch den Sportstättenbau wie das Städtische Stadion, das in „Hans-Walter-Wild-Stadion“ umbenannt wurde, des Eisstadions, des Sportzentrums oder der Oberfrankenhalle schuf er in den 70er und 80er Jahren die Voraussetzungen, dass die Bayreuther Fußballer bis an das Tor der höchsten Spielklasse (die SpVgg scheiterte 1979 erst in den Bundesligaaufstiegsspielen gegen den FC Bayer 05 Uerdingen) anklopften.

Manfred Kreitmeier und Hans Walter Wild. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Das SVB-Eishockeyteam spielte ein Jahr in der höchsten Spielklasse, die Tischtennisspieler von Steiner Optik spielten in Bundesliga und Europapokal und die Bundesliga-Basketballer wurden sogar deutscher Meister und zweimal deutscher Pokalsieger. Ein derart komprimierter Sportpark, wie ihn Hans-Walter-Wild in Bayreuth schuf, dürfte es nur in wenigen vergleichbaren Städten geben.

Glänzender Redner mit Überzeugungskraft

Wild galt als „ein Meister im Zusammenfassen aller eigenen und Ausnützen aller Fremdhilfen“. Durch seine „Schubladenprojekte“ war er seinen Konkurrenten meist die entscheidende „Nasenlänge“ voraus. Er schrieb keine Denkschriften, sondern stand in München persönlich auf der Matte: Wenn er vorne rausgeschickt wurde, kam er hinten wieder rein. Und: Er galt als glänzender freier Redner, der sich wie kein Anderer auf seine Zuschauer – ob Arbeiter oder Akademiker – einstellen konnte.


Text: Stephan Müller

 

Als sich ein Bayreuther Redakteur bis auf die Knochen blamierte

Gleich doppelt Grund zum Feiern hatte in diesem Jahr das evangelische Gemeindehaus in der Richard-Wagner-Straße. 1929 und damit vor 90 Jahren wurde es eröffnet, 1989 und damit vor 30 Jahren ist es renoviert worden. Hobbyhistoriker Stephan Müller hat passend dazu eine der vergnüglichsten Zeitungsenten der Bayreuther Pressegeschichte ausgegraben. Hier ist sie:

„Am liebsten wäre er im Boden versunken“

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, doch der alte Journalistenspruch war mit Sicherheit nur ein schwacher Trost für den Alptraum, in dem sich ein Lokalredakteur der „Oberfränkischen Zeitung“, einer Zeitung, die später mit dem Bayreuther Tagblatt verschmolz, im September 1929 befand. „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen“ wird er sich in der wohl dunkelsten Stunde seines Berufslebens gedacht haben, als er bei der Verlagsleitung, die ihren Sitz im Haus Ellwanger in der Maxstraße hatte, antanzen musste. Am liebsten wäre der unglückliche Journalist in den Boden versunken. Heute, viele Jahrzehnte später, schmunzeln wir bei allem Mitgefühl über eine der vergnüglichsten Zeitungsenten in der Bayreuther Pressegeschichte, eine Falschmeldung die damals für das Stadtgespräch und viel Schadenfreude sorgte.

Die Gastwirtschaft „Zum weißen Roß“ stand einst dort, wo heute das Evangelische Gemeindehaus steht. Das Anwesen war 1927 von der Gemeinde gekauft und abgerissen worden.

„So schwierig wird das wohl nicht sein“

„Um Gottes Willen“, rief unser Redakteur am Sonntagnachmittag des 1. September 1929. Er sprang von der Kaffeetafel auf, als es ihm siedend-heiß in den Kopf schoss: „Ich habe die Einweihung des Evangelischen Gemeindehauses verschwitzt!“ Er malte sich immer wieder das „gefundene Fressen“ für die Konkurrenz des „Bayreuther Tagblatts“ aus und eilte zu seinem Schreibtisch, um sich den Artikel über das hochrangige Stadtereignis aus den Fingern zu saugen. So schwierig wird das wohl nicht sein, hatte ihm der Redaktionsleiter schließlich in der letzten Woche den Programmzettel mit dem genauen Ablauf der Veranstaltung in die Hand gedrückt. Er begann zu schreiben:

„Gestern Nachmittag um 3:30 Uhr fand die feierliche Einweihung des Saalbaus in der Richard-Wagner-Straße statt. Die Schlüsselübergabe und Eröffnung wurde mit Gesang und Posaunenchören eingeleitet.“ Mit verhaltender Freude, dass der Anfang gemacht war, improvisierte er voller Tatendrang weiter: „Daran schloss sich die inhaltsreiche und tiefschürfende Weiherede von Dekan Dr. Karl Wolfrat an…“

Damit konnte er keinesfalls falsch liegen. „Inhaltsreich und tiefschürfend“ wird auf jeden Fall auch beim Dekan gut ankommen.

Der Bericht kommt gar nicht gut an

Damit lag er allerdings grundlegend falsch. Der Bericht, der am 2. September veröffentlicht wurde, kam bei Dekan Dr. Karl Wolfrat überhaupt nicht gut an. Er hatte seine Einweihungsrede nämlich noch gar nicht gehalten. Unser geplagter Redakteur hatte sich nämlich beim fraglichen Termin schlicht um eine Woche geirrt. Die Einweihung war erst am 8. September geplant. Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile und das Gelächter war groß.

Vom bekannten Bayreuther Architekten Hans Reissinger stammt diese Zeichnung, die 1928 als Ansichtskarte erschien. Sie zeigt Abweichungen vom verwirklichten Entwurf.

Kleinlaut entschuldigte sich die „Oberfränkischen Zeitung“ in der Ausgabe am 3. September, dass der Irrtum „durch Datumsverwechslung“ passiert sei. Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Einweihungsfeier „voraussichtlich“ am nächsten Sonntag stattfindet und der ausführliche Bericht dann dieses Mal „durch persönliche Vertretung“ erfolgt.

Das Tagblatt legt den Finger in die Wunde

So kam es dann auch: Eine Woche später berichteten diesmal beide Lokalblätter über die tatsächliche Einweihung, wobei es sich das „Bayreuther Tagblatt“ aber nicht nehmen ließ, den Finger „zartfühlend“ in die Wunde zu legen. Vielleicht wollte man auf der anderen Seite der Maxstraße aber auch nur die Prophezeiung des unglücklichen Kollegen der „Oberfränkischen Zeitung“ wahr werden lassen: Jedenfalls betonte das „Tagblatt“ den „inhaltsreichen Vortrag“ des Dekans und lobte  ausdrücklich seine „tiefschürfende“ Rede.


Mit Fotos und Material der Evangelisch-Lutherischen Gesamtkirchengemeide Bayreuth.


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Text: Stephan Müller


Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es hier beim bt.

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