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Hans Walter Wild: „Ich liebe es, in die Berge zu sch…“

Hans Walter Wild galt als ein glänzender Redner mit viel Überzeugungskraft. Anlässlich seines 100. Geburtstags am 27. November hat der geschichtsinteressierte Stephan Müller in den Geschichtsbüchern gestöbert und die besten Reden Wilds herausgesucht. Dabei ist er auch auf einen großen Fauxpax des Rhetorikers gestoßen.


Rede in Bayreuth: Oh lala!

Da saß Bayreuths Oberbürgermeiser nun in trauter Runde mit Stadträtinnen und Stadträten aus der neuen Partnerstadt Annecy und parlierte auch ein wenig in französischer Sprache.

Thema war das nahe Fichtelgebirge mit den Wintersportorten Warmensteinach und Bischofsgrün oder die Skipisten auf dem Ochsenkopf. Der Oberbürgermeister wollte der Runde mitteilen, dass er es liebt in den Bergen Ski zu fahren und sagte also:

I`aime chier dans les montagnes

Auch wenn das französische Wörtchen „chier“ auf dem Papier dem Wörtchen „Schier“ sehr ähnlich sieht und auch ein wenig ähnlich klingt: „Chier“ heißt im Französischen nun einmal „scheißen“. Hans Walter Wild teilte seinen verwunderten Zuhörern also mit, dass er es liebt, in die Berge zu „sch …“.

Hans Walter Wild mit den ersten „Politessen“ in Bayreuth. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Eine französische Stadträtin kommentierte die von Hans Walter Wild ausgesprochene Vorliebe nach einer wohl gesetzten Pause mit einem tiefen: „Oh lala la!“

Hans Walter Wild: Zitate aus seinen Reden

Es ist wohltuend, dass solch ein „Fauxpas“, der nach der Richtigstellung des anwesenden Übersetzers an diesem Abend für Stimmung sorgte, auch einem Mann wie Hans Walter Wild passieren kann. Ein weiteres „Fettnäpfchen“ ist uns auch nicht bekannt. Denn Hans Walter Wild war ein hervorragender Redner, der es in Sekundenschnelle verstand, sich auf seine Zuhörer, egal ob auf Politikprominenz, Bankdirektoren, einem Kegelclub oder bei einer Faschingsnarren, mit den richtigen Worten einzustellen.

Hier einige interessante Zitate aus seinen Reden und Interviews:

Es ist ermutigend, aber auch menschlich erhebend, dass wir 20 Jahre nach Beendigung dieses furchtbaren Krieges mit den Vertretern Annecys zusammen sein dürfen, um mit ihnen gemeinsam der Vergangenheit zu gedenken und mit ihnen über die Zukunft zu sprechen. (23.7.1966 zum Festakt der Städtepartnerschaft Bayreuth-Annecy)

Richard Wagner und Bayreuth – eines hat das Bild des anderen mitgeprägt. Ohne Bayreuth und seine Bürger wäre Wagners Festspielidee vielleicht nie und nirgends Wirklichkeit geworden, hätte der Name Richard Wagner nicht die volle theatergeschichtliche Bedeutung erreicht, die er heute hat. Aber ohne ihn, ohne seine Festspiele, wäre Bayreuth nicht Bayreuth. (23. Juli 1976).

Die Erfolge der Sportler der DDR kommen nicht nur aus der Küche des Staatssports mit seinen Möglichkeiten und Vorteilen. Sie sind auch getragen vom Selbstbewusstsein der Frauen und Männer aus dem Osten Deutschlands. Während wir in der Bundesrepublik Deutschland darauf verzichten, dass die eigene Fahne gezeigt und die Nationalhymne gespielt wird, bildet das Nationalbewusstsein der DDR, in übersteigerten Maße produziert, den Motor großartiger und ungewöhnlicher sportlicher Leistungen. (…). Auch wir Deutsche haben ein Recht auf dieses gesunde Selbstbewusstsein, ja ich meine sogar, wir haben auch die Pflicht zu solchem Selbstbewusstsein, wenn wir mit unseren westlichen Brudervölkern in einem künftig vereinten Europa bestehen wollen. (5. November 1968 zum Empfang der Schwimmerin Heidi Reineck, die in Mexico City Bronze gewann)

Mit seinen Hunden verbrachte Hans Walter Wild seinen Lebensabend in seinem Wohnsitz auf dem Gut Grunau. Foto: Stephan Müller

Mainz wie es singt und lacht, ist nicht Bareith, wie es schläft bei Nacht, und ein hiesiger Faschingsball ist noch lange kein rheinischer Karneval. Trotzdem keine Spur von Neid: Denn Köln ist zwar Köln, aber Bareith bleibt Bareith! Und wenn sie dort jubeln ihr „helau – alaaf“: Mir bleibn do Schwarz-Weiß und raunzen: „Awaaf!“ (9. Januar 1978)

Wir lehnen es ab, auf die Dauer immer neue weiterführende Schulen zu bauen und auf unsere Kosten Schüler auszubilden, die zwangsläufig in die Ballungsräume auswandern, weil es die für sie geeigneten, qualifizierten Arbeitsplätze in Oberfranken nicht mehr gibt … Wir wollen nicht zu einem Altersheim der Bundesrepublik werden. Wir wollen die Kraft unserer noch unverbrauchten Jugend nicht ständig an andere abgeben, die sich spät darauf besinne, dass in Oberfranken die Luft rein, das Wasser sauber und das Klima nicht rauh, sondern gesund ist… (6. Juni 1969)

Hühner, Hosen und Death Metal auf der Studiobühne Bayreuth

Das Römische Reich ist dem Untergang geweiht. Zumindest wenn es nach seinem Kaiser geht. Die Studiobühne hat Friedrich Dürenmatts „Romulus der Große“ neu inszeniert. Premiere ist am Samstag, 30. November.

Als Dramaturg ist es nicht immer einfach gute Geschichten auf die Bühne zu bringen. Wo doch das Leben aktuell die spannenderen, skurrileren und abgründigeren Stücke schreibt: Flüchtlingskrise, Klimaerwandel, Handels- und tatsächliche Kriege. Obwohl uns das Wasser bis zur Oberkante Unterlippe steht, reagiert die Politik darauf mit merkelmäßigem Aussitzen oder einer Nationaltümelei a la AfD oder Trump.

Anklänge an aktuelle Politik

„Wir sind Provinzler, denen eine Welt über den Kopf wächst, die sie nicht begreifen können.“ Treffender kann man es nicht formulieren. Dabei ist dieser Satz 70 Jahre alt. Er stammt aus Friedrich Dürenmatts „Romulus der Große“, das am Samstag, 30. November, Premiere in der Studiobühne feiert.

Ganz bewusst und mitten in der Dauerkrise der Politik bringt das Theater dieses Stück auf die Bühne. Ausgesucht hat es Birgit Franz, die auch Regie führt. „Ich mag Aussagen auf der Bühne machen. Romulus ist dafür sehr geeignet,“ sagt sie und zitiert die Unterzeile zu diesem Stück. „Wer so auf dem letzten Loch pfeift wie wir alle, kann nur noch Komödien verstehen.“

Birgit Franz. Foto: Torsten Geiling.

An der Studiobühne ist Birgit Franz in erster Linie für die Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Ab und an steht sie aber noch selbst auf der Bühne. Die Schauspielerei war es auch, die ihre Leidenschaft fürs Theater geweckt hat. Mit 16 Jahren stand sie in Bayreuth zum ersten Mal auf der Bühne. Sie begann dann nach dem Abitur mit einem Studium der vergleichenden Literaturwissenschaft. An der Theaterschule Emmental lernte sie das Handwerk, ehe sie etwa im Theater Kontrapunkt in Düsseldorf weitere Erfahrungen sammelte. Im Jahr 1995 kehrte sie nach Bayreuth an die Studiobühne zurück.

Dürenmatt hat den Romulus als Antwort auf das Dritte Reich geschrieben. In dem Stück geht es um ebenjenen Kaiser, der im Angesicht des untergehenden römischen Weltreichs demonstrativ gut gelaunt Hühner züchtet und frühstückt, während sein Hofstaat in Panik gerät und die drohende Übernahme durch die Germanen mit allen Mitteln abzuwenden versucht.

„Es gibt viele Charaktere, die einen Fanatismus entwickeln“, erklärt Birgit Franz, etwa die Kaiserstochter Rea, die auf ihre große Liebe verzichten und einen schwerreichen Hosenfabrikanten heiraten möchte, um Rom zu retten, oder ihre Mutter Julia, die den Widerstand von Sizilien aus anführen will, obwohl für sie bisher die Politik ein Fremdwort war. Romulus hat für jeden den passenden Satz parat: „Vaterland nennt sich der Staat immer dann, wenn er sich anschickt, auf Menschenmord auszugehen.“ „Wo die Hose anfängt, hört die Kultur auf.“ „Wir haben durch die Jahrhunderte so viel dem Staat geopfert, dass es jetzt Zeit ist, dass sich der Staat für uns opfert.“

Romulus auf der Bühne. Foto: Studiobühne Bayreuth.

Diesen Fanatismus findet Birgit Franz interessant und die Frage, woher der Wunsch bei vielen Menschen nach einer übergeordneten Kraft und nach einer Utopie stammt. Hier sieht sie auch Parallelen zur heutigen politischen Lage und zum Nationalismus eines Trumps, Erdogans oder der AfD. „Wir haben nichts aus der Geschichte gelernt“, sagt sie. „Die Gesellschaft verändert sich, die stabilisierende Mitte wird mehr und mehr aufgedröselt.“

Was kann das Theater dagegen tun? „Es hilft beim Denken“, auch wenn es keine Lösung für dieses Dilemma gebe. „Auch Romulus scheitert“, sagt Birgit Franz. Das Römische Reich geht nicht unter und er wird nicht wie geplant vom germanischen Fürsten Odoaker ermordet. Man könne nur unterhaltsam, verständlich und zeitgemäß das Publikum aufklären.

15 Aufführungen im Dezember und Januar

Dafür haben die 17 Schauspieler seit zweieinhalb Monaten nun geprobt und auch moderne Anklänge in Dürenmatts Stück integriert. Ein Kunsthändler ähnelt Conchita Wurst, die Germanen treten kultiviert in Anzug und mit Hut auf und die Kammerdiener bringen ihre Ode als Death-Metal-Version dar. Den Text hat Birgit Franz nur leicht angepasst. „Mehr war nicht nötig. Dürenmatt schreibt einfach zu gut.“

Premiere: 30. November 2019 | Hauptbühne 3. /7. /11. /17. /28. /31. Dezember 2019 8. /11. /17. /21. /23. /29. Januar 2020 um 20.00 Uhr 29. Dezember / 26. Januar um 17.00 Uhr

Karten gibt es an der Kasse oder unter www.studiobuehne-bayreuth.de

Hans Walter Wild: Der streitbare Vollblutpolitiker

In Teil 14 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Hans Walter Wild, der Bayreuth sportlich und wirtschaftlich weit voran brachte.


Zweiter Oberbürgermeister nach dem Krieg

Als Nachfolger von Hans Rollwagen war Hans Walter Wild der zweite Oberbürgermeister nach dem zweiten Weltkrieg. Wild wurde am 27. November 1919 in Würzburg geboren. Im Jahr 1939 begann er in seiner Heimatstadt das Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studieren, ehe er schon 1940 als Soldat an die Ostfront und nach Afrika eingezogen wurde.

Als Kompanieführer geriet er 1943 in Kriegsgefangenschaft und kehrte erst 1948 zurück. Er setzte sein Studium in Würzburg fort und trat 1953 nach dem juristischen Staatsexamen in den Dienst der Stadt Bayreuth. Als SPD-Oberbürgermeisterkandidat setzte er 1956 gegen den renommierten Gegenkandidaten Dr. Fritz Meyer I. von der Bayreuther Gemeinschaft durch. Er war bis 1988 über drei Jahrzehnte Bayreuther Stadtoberhaupt.

Hans Walter Wild im Jahr 1961. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Der damalige Regierungspräsident Wolfgang Winkler lobte ihn am 31. Mai 1978 zum zwanzigjährigen Dienstjubiläum mit folgendem Zitat:

Seine Telefongespräche am Abend um halb sieben erschrecken mich immer derart, dass ich meiner Frau sage, der Wild ruft mich noch an, es dauert noch etwas länger mit dem Abendessen heute.

Wild war ein Oberbürgermeister, der seiner Stadt verpflichtet ist, der seine Stadt zu seiner Stadt gemacht hat, der hart und energisch sein kann, oft erschreckend durchsetzungsstark nach außen und innen. Auf der anderen Seite weich, empfindsam und gefühlvoll bis zu den Tränen rührbar, wenn es an das Innere geht. Winkler weiter:

Die Stadt Bayreuth ist ein Teil von Oberfranken, in seinen Augen ist Oberfranken die Umgebung von Bayreuth, Hof ist ein Vorort, Pegnitz eine Brücke zu Erlangen, und Nürnberg nicht etwa die heimliche Hauptstadt von Nordbayern, sondern in Wirklichkeit eine Trabantenstadt von Bayreuth. Ich wollte damit vielleicht etwas launig sagen: seine Stadt Bayreuth ist seine Stadt.

 

Wild holte die Uni nach Bayreuth

Hans Walter Wild hat sich mit der Entwicklung der Stadt einen unvergessenen Namen gemacht. Der streitbare „rote“ Vollblutpolitiker erkämpfte im „schwarzen“ Bayern für Bayreuth im Konkurrenzkampf mit anderen oberfränkischen Städten die Ansiedlung einer Universität, setzte sich für den Bau der Bundeswehrkaserne und der BGS-Kaserne auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes in Laineck ein und konnte durch die Vergrößerung des ersten Bayreuther Industriegebiets in St. Georgen viele neue Betriebe für Bayreuth gewinnen. Dadurch gelang es ihm, die Bevölkerungszahl von rund 61.000 (1956) auf 72.000 Einwohner (1988) und die Bedeutung der Wagnerstadt zu steigern.

Steckenpferd Sport

Nicht ohne Kritik blieb (allerdings erst aus heutiger Sicht) der Bau des Stadtkernrings mit der Mainüberdachung oder der Bau des Neuen Rathauses, weil beiden Projekten einige historische Gebäude zum Opfer fielen.

Sein ganz besonderes Steckenpferd war der Sport. Vor allem durch den Sportstättenbau wie das Städtische Stadion, das in „Hans-Walter-Wild-Stadion“ umbenannt wurde, des Eisstadions, des Sportzentrums oder der Oberfrankenhalle schuf er in den 70er und 80er Jahren die Voraussetzungen, dass die Bayreuther Fußballer bis an das Tor der höchsten Spielklasse (die SpVgg scheiterte 1979 erst in den Bundesligaaufstiegsspielen gegen den FC Bayer 05 Uerdingen) anklopften.

Manfred Kreitmeier und Hans Walter Wild. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Das SVB-Eishockeyteam spielte ein Jahr in der höchsten Spielklasse, die Tischtennisspieler von Steiner Optik spielten in Bundesliga und Europapokal und die Bundesliga-Basketballer wurden sogar deutscher Meister und zweimal deutscher Pokalsieger. Ein derart komprimierter Sportpark, wie ihn Hans-Walter-Wild in Bayreuth schuf, dürfte es nur in wenigen vergleichbaren Städten geben.

Glänzender Redner mit Überzeugungskraft

Wild galt als „ein Meister im Zusammenfassen aller eigenen und Ausnützen aller Fremdhilfen“. Durch seine „Schubladenprojekte“ war er seinen Konkurrenten meist die entscheidende „Nasenlänge“ voraus. Er schrieb keine Denkschriften, sondern stand in München persönlich auf der Matte: Wenn er vorne rausgeschickt wurde, kam er hinten wieder rein. Und: Er galt als glänzender freier Redner, der sich wie kein Anderer auf seine Zuschauer – ob Arbeiter oder Akademiker – einstellen konnte.


Text: Stephan Müller

 

Hans Rollwagen: Die Ära der SPD-Bürgermeister beginnt

In Teil 14 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Hans Rollwagen, der die knapp 60-jährige Regierungszeit der SPD in Bayreuth einläutete.


Regierungszeit der SPD beginnt

Von 1948 bis 2006 wurde die Stadt Bayreuth von SPD-Oberbürgermeistern regiert. Dabei waren in diesen bisher 58 Jahren mit Hans Rollwagen (1948 – 1958), Hans Walter Wild (1958 – 1988) und Dr. Dieter Mronz (1988 – 2006) gerade einmal drei Männer im Amt.

Im Zuge der neuen Stadtratswahlen im Jahr 1948 holte die SPD den bewährten Kommunalpolitiker Hans Rollwagen (1892 – 1992) als Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters nach Bayreuth.

Mit 27 Jahren Stadtratsmitglied

Ein idealer Mann für diese schwere Zeit. Der SPD-Politiker gehörte bereits im Alter von 27 Jahren (1919) dem Augsburger Stadtrat an. 1923 wurde er zum ersten Bürgermeister in Neustadt bei Coburg gewählt und ab 1929 Berufsmäßiger Stadtrat in Nürnberg. Im Jahr 1933 bat er um seine Entlassung, weil er nicht mit den neuen Machthabern zusammenarbeiten wollte.

Rollwagen wurde am 14. Juni 1892 in Nördlingen geboren, wuchs aber in Augsburg auf. Er studierte in München, Kiel, Berlin und Würzburg Rechts- und Staatswissenschaften. Zum Beginn des 1. Weltkrieges wurde er einberufen und 1916 vor Verdun schwer verwundet. Erst 1920 konnte er das Große Staatsexamen mit einem glänzenden Ergebnis ablegen.

Im Jahr 1948 wurde Rollwagen noch vom Stadtrat Bayreuth mit einer überwältigenden Mehrheit von 38 von 40 Stadtratsstimmen zum Oberbürgermeister gewählt.

Gründer der GEWOG

Seine ersten Aufgaben im zerstörten Bayreuth sah Rollwagen in einem finanziellen Sparkurs, der Schaffung von Arbeitsplätzen, einer leistungsfähigen Verwaltung und der Linderung der prekären Wohnungsnot. Schon 1949 gründete er aufgrund seiner Erfahrungen als Vorsitzender der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Nürnberg die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft (GEWOG), die preisgünstige Sozialwohnungen schuf.

Ab 1950 sorgte er für eine Erneuerung des völlig unzureichenden Kanalnetzes, ehe er ab 1952 mit der planmäßigen Erschließung des Industriegebietes St. Georgen eine weitreichende Entscheidung für den wirtschaftlichen Aufschwung bewirkte. Darüber hinaus setzte er sich für eine zügige Neueröffnung der Bayreuther Festspiele ein, die ab 1951 für eine schnelle Wiederbelebung der Stadt sorgten.

Trotz CSU-Mehrheit wiedergewählt

Sein riesiges Arbeitspensum des pflichtbewussten und bescheidenen Mannes fand auch bei den Bürgern Anerkennung. Wenngleich er bei der Oberbürgermeisterwahl, die 1953 erstmals seit über zwanzig Jahren wieder von den Bürgern entschieden wurde, ohne Gegenkandidaten antrat, fand er eine überwältigende Zustimmung. Von 1954 bis 1962 war er Präsident des Bezirkstages Oberfranken, dem er bis 1970 angehörte. Eindrucksvoll ist, dass er 1958 trotz einer CSU-Mehrheit wiedergewählt wurde.

Landesweite Beachtung fand Rollwagen 1949 mit dem Entwurf einer neuen Bayerischen Gemeindeordnung („Bayreuther Entwurf“), der die Zustimmung des Städtetages und der amerikanischen Besatzungsmacht fand und Vorlage der im Jahr 1952 eingeführten Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern war.

Der Inhaber des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland und Ehrenbürger der Städte Bayreuth und Neustadt bei Coburg starb am 29: März 1992 im Alter von fast 100 Jahren in Bayreuth.


Text: Stephan Müller

 

Kauper und Meyer – Die Nachkriegsbürgermeister Bayreuths

In Teil 13 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Joseph Kauper und Oscar Meyer, den beiden Nachkriegsbürgermeistern, die von den Amerikanern eingesetzt wurden.


Von den Amerikanern eingesetzt

Wie der Kaffeehausbesitzer Willi Kröll, der nur wenige Tage von den Amerikanern zum „Burgermeister of the City of Bayreuth“ eingesetzt wurde, wurde auch der am 21. Juni 1899 in Bayreuth geborene Dr. Joseph Kauper nach dem Krieg von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt.

Der 45-jährige Jurist machte sich am 24. April 1945 auf dem Weg zum amerikanischen Gouverneur, um eine Reisegenehmigung zu seiner Anwaltskanzlei nach Nürnberg zu beantragen. Oberstleutnant Caroll J. Reilly kommt der politisch unbelastete Mann, der seinen Antrag mit einem fließenden Englisch spricht wie gelegen und macht ihn zum Bayreuther Stadtoberhaupt.

Idealer Mann für den Neuaufbau

Der Jurist tritt sein Amt noch am selben Tage an und verstand es trotz der schwierigen Lage, die Interessen der Stadt zu wahren. Er trat gegenüber der Militärregierung sehr selbstbewusst auf und drohte mit seinem Rücktritt, als die Amerikaner von den Bayreuthern die Ablieferung aller Operngläser und Fotoapparate verlangen. Die Machthaber geben nach, weil sie in Kauper den idealen Mann beim Neuaufbau der Stadtverwaltung sehen. Kaupers Amtszeit dauerte nur sieben Monate. Auf einer Dienstreise verunglückt er in Germersdorf tödlich.

Dem Amt nicht gewachsen

Als sein Nachfolger wurde Dr. Oscar Meyer (1885 – 1954) von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt. Der parteilose frühere Bayreuther Schlachthofdirektor war jedoch den außergewöhnlichen Belastungen des Amtes in der noch immer chaotischen Stadtverwaltung nicht gewachsen.

Gleichzeitig wurde ein Bayreuther Hauptausschuss, dem unter anderem der spätere bayerische Finanzminister Dr. Konrad Pöhner angehörte, eingesetzt. Die ersten Stadtratswahlen fanden am 26. Mai 1946 statt. Von rund 60.000 Einwohnern waren nur rund 22.500 wahlberechtigt.

Der neue Stadtrat wählte Meyer zum Oberbürgermeister und den späteren Ehrenbürger Adam Seeser zum zweiten Bürgermeister. Dennoch regierten noch die Amerikaner. Meyer musste noch täglich beim Militärgouverneur erscheinen um Weisungen entgegenzunehmen.

Im Zuge der neuen Stadtratswahlen im Jahr 1948 holte die SPD den bewährten Kommunalpolitiker Hans Rollwagen als Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters nach Bayreuth. Hans Rollwagen, der im Alter von 27 Jahren ab 1919 in Augsburg schon Stadtrat war, 1923 in Neustadt bei Coburg zum ersten Bürgermeister gewählt wurde und von 1929 bis 1933 berufsmäßiger Stadtrat in Nürnberg war, wird im nächsten Teil unserer Serie vorgestellt.


Text: Stephan Müller

 

Dr. Fritz Kempfler: Ein Nationalsozialist kapituliert

In Teil 12 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Dr. Fritz Kempfler, einem Nazi der vor den Amerikanern kapitulieren musste.


Nachfolger von Gauleiter Wächtler

Nachdem der unbeliebte Gauleiter Fritz Wächtler mit Dr. Karl Schlumprecht und Dr. Otto Schmidt bereits zwei Bayreuther Oberbürgermeister „verschlissen hatte“ setzte er sich im Mai 1938 selbst als Stadtoberhaupt ein. Dies fand nicht die Billigung des Führers, der Wächtler ein Ultimatum setzte.

Schon am 1. Juli 1938 berief er den Eggenfeldener Dr. Fritz Kempfler (1904 – 1985), der als berufsmäßiger Stadtrat in Fürth tätig war, zum neuen Oberbürgermeister. Dem 33-jährige Juristen und Stipendiaten des Maximilianeums gelang es, sich neben dem mächtigen Gauleiter zu behaupten.

Bayreuth wächst

Durch Eingemeindungen zum 1. April 1939 gelang es ihm das Stadtgebiet durch die Eingemeindung von Cottenbach, Crottendorf (heute Bindlach), Oberkonnersreuth, St. Johannis, Colmdorf und Meyernberg zu vergrößern. Die Einwohnerzahl stieg um 2.200 auf rund 45.000 Einwohner. Durch diese Gebietsreform gewann das Stadtgebiet mit rund 1.000 Hektar fast die Hälfte des bisherigen städtischen Grundes dazu. Reichsstatthalter von Epp soll dem NSDAP-Politiker mitgeteilt haben, dass er doch noch „einen kleinen Teil Oberfrankens außerhalb von Bayreuth belassen möge“.

Brand verhindert – Opernhaus gerettet

Kempfler gehörte wohl zu der Kategorie von Nationalsozialisten, die von der Ideologie überzeugt waren, ohne sich völlig fanatisieren zu lassen. In den Beginn seiner Amtszeit fiel die so genannte „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938. Gauleiter Wächtler weilte zum 15-jährigen Gedenktag des Münchner Hitlerputsches in München, wo Reichsminister Goebbels die Anweisungen für die Vernichtung der jüdischen Synagogen verkündete. In der Bayreuther Ludwig-Siebert-Halle gab es ebenfalls eine Gedenkfeier. Aus München ordnete Wächtler die Vernichtung der Bayreuther Synagoge in der Münzgasse auf.

Oberbürgermeister Kempfler konnte eine Brandlegung wegen der Gefährdung für das angrenzende Markgräfliche Opernhaus verhindern. Dennoch wurde die Einrichtung zerstört oder abtransportiert.

Unterbrechung wegen Kriegsdienst

Kempflers Tätigkeit in Bayreuth wurde immer wieder durch militärische Einberufungen unterbrochen. Im zweiten Weltkrieg wurde er ab 1941 als Leutnant im Luftgaupostamt in Paris und in Frankfurt eingesetzt und ab 1942 als Oberleutnant der Flakartillerie eingesetzt. Er erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse und die Afrika-Medaille. Im Februar 1944 schied er wegen einer schwerer Strahlenpilz-Erkrankung und einer Kehlkopferkrankung aus dem Militärdienst aus. Am 30. August 1944 nahm er seinen Dienst im Bayreuther Rathaus wieder auf. In den letzten Kriegswochen bewahrte Umsicht und ließ seine Stadt nicht im Stich.

Ganz im Gegensatz zu Gauleiter Fritz Wächtler, der seit 1944 auch SS-Obergruppenführer war. Nach dem Vorstoß amerikanischer Truppen auf die Gauhauptstadt wurde Wächtler wegen vorzeitigen Verlassens seiner Befehlsstelle in Bayreuth von einem SS-Kommando in der Gauleitungs- Ausweichstelle angeblich auf Grund eines Hitler-Befehls bei Waldmünchen erschossen. Wohl nichtl zu Unrecht wurde hier eine Intrige seines Stellvertreters Ludwig Ruckdeschel vermutet.

Kapitulation vor Amerikaner

Doch zurück zu Dr. Fritz Kempfler. Als die amerikanischen Truppen am 14. April 1945 von Altenplos in Richtung Bayreuth vorrückten, ließ er sich auf Verhandlungen in Cottenbach ein.

Kempfler hätte den Amerikanern seine Stadt auch ohne den berühmten Ausspruch „Entweder Übergabe oder we make Bayreuth flat…“ übergeben. Vorher musste er jedoch in St. Johannis den General Hagl, der die Stadt („Befehl ist Befehl“) immer noch verteidigen will, zur Kapitulation überreden. In der Zwischenzeit hissten die Bayreuther auf Aufforderung des Kaffeehausbesitzers Willi Kröll („Schlosscafè Metropol“) weiße Flaggen. Danach half Kröll beim Löschen des Alten Schlosses.

Krölls Zivilcourage blieb den Amerikanern nicht verborgen. Am 15. April erhielt er ein Ernennungsschreiben, das ihn mit dem Satz „Willi Kröll is hereby appointed Burgermeister of the City of Bayreuth“ zum Bürgermeister. Kempfler wird am 17. April in ein Internierungslager gebracht. Kröll behielt sein Amt nur wenige Tage, ehe er wieder – vor allem für die Besatzungsmacht – als Gastronom tätig wurde. Dr. Fritz Kempfler starb am 18. Oktober 1985 in seiner Heimatstadt Eggenfelden.


Text: Stephan Müller

 

Bayreuths Bürgermeister: Die Stadt in den Händen der Nazis

In Teil 11 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von der Zeit der Nationalsozialisten.


Einzug der Nazis in den Stadtrat

Mit dem Einzug der Nationalsozialisten in den Stadtrat war besonders die bisher eher ausgleichende kommunalpolitische Strategie von Albert Preu an ihre Grenzen gelangt. Dem bürgerlich-konservativ verwurzelten Bürgermeister machten die rhetorischen und volksverhetzenden Fähigkeiten des jungen Hans Schemm schwer zu schaffen.

Im Stadtrat kam es oft zu chaotischen Zuständen. Am 1. Mai 1933 wurde Preu „nach Erreichung der Altersgrenze“ von den neuen Machthabern in den Ruhestand geschickt.

Jüngster Oberbürgermeister des Reiches

Sein Nachfolger wurde der Fürther Dr. Karl Schlumprecht von der NSDAP. Der mit 32 Jahren jüngste Oberbürgermeister des gesamten Reiches stand trotz des großen Karrieresprungs ganz im Schatten des zehn Jahre älteren Gauleiters Hans Schemm. Nach dessen tödlichem Flugabsturz am 5. März 1935 wurde der unbeliebte Fritz Wächtler (1891 – 1945) Gauleiter, der Bürgermeister Schlumprecht zwei Jahre später aus dem Dienst entfernte.

Vom Bürgermeister zum Ministerialdirektor

Zur Eskalation des Konflikts kam es, als der frühere thüringische Kultusminister die beiden von Schlumprecht eingesetzten Krankenhaus-Chefärzte Dr. Wolfgang Deubzer und Dr. Hermann Koerber wegen angeblicher „Sabotage am Volksgesundheitswerk“ vom Dienst suspendieren und verhaften ließ.

Schlumprecht konnte kurz vor seiner „Absetzung“ noch wichtige Verbindungen knüpfen. Im April 1937 konnte er sich als neu ernannter Ministerialdirektor in München dem Zugriff Wächtlers entziehen. Karl Schlumprecht starb am 31. März 1970 in München.

Von Hitler abgelehnt

Auf Vorschlag Wächtlers wurde der Coburger Oberbürgermeister Dr. Otto Schmidt (1901 – 30. April 1945) ab 27. Juli 1937 neues Stadtoberhaupt in der Gauhauptstadt. Auch er kam mit dem totalen Nationalsozialisten Wächtler nicht zurecht, warf schon am 3. Mai 1938 das Handtuch und verließ Bayreuth in Richtung Hanshagen. Daraufhin setzte sich Fritz Wächtler selbst als kommissarischer Oberbürgermeister ein. Dies fand jedoch nicht die Zustimmung Hitlers, der in diesen Jahren immer wieder Gast im Hause Wahnfried war. Er forderte Wächtler auf, bis zum Beginn der Bayreuther Festspiele ein neues Stadtoberhaupt einzusetzen.

Der Führer wurde von Wächtlers Stellvertreter und Intimfeind Ludwig Ruckdeschel, dessen Frau gute „Kontakte“ nach Berlin hatte, regelmäßig über die Vorkommnisse in Bayreuth informiert. Wächtler war bei Hitler ohnehin wenig geschätzt, weil er als Alkoholiker zu unbeherrschten Ausbrüchen und Bloßstellungen gegenüber Untergebenen neigte. Wächtler befolgte das Ultimatum sofort und berief schon am 1. Juli 1938 den 33-jährigen Eggenfeldener Dr. Fritz Kempfler zum neuen Oberbürgermeister.

Nachzutragen bleibt, dass Dr. Wolfgang Deubzer zusammen mit dem späteren bayerischen Finanzminister Dr. Konrad Pöhner oder dem bekannten Rechtsanwalt Dr. Fritz Meyer einer von fünf „Freien Wählern“ (heute Bayreuther Gemeinschaft) im ersten Nachkriegs-Stadtrat von Bayreuth vertreten war.


Text: Stephan Müller

Albert Preu – der erste vom Volk gewählte Bürgermeister Bayreuths

In Teil 10 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Albert Preu, dem ersten, vom Volk gewählten Bürgermeister Bayreuths.


Mit 60 Prozent gewählt

Der im unterfränkischen Castell geborene Albert Preu (1868 – 1944) war der erste Bayreuther Oberbürgermeister, der direkt von der Bevölkerung gewählt wurde. Am 13. Juli 1919 wurde er mit 60 Prozent aller Stimmen klarer Sieger über seinen Gegenkandidaten Karl Hugel (SPD). 

Preu war in Bayreuth schon seit 20. Juli 1894 während der Amtszeit seines Vorgängers Dr. Leopold Cassemann als Rechtsrat in städtischen Diensten und fungierte als Stellvertreter von Oberbürgermeister Dr. Leopold Casselmann. Damit hatte er gegenüber Hugel einen klaren „Amtsbonus“ weil Casselmann als Landtags- und Reichstagsabgeordneter sehr häufig und längere Zeit in München und Berlin weilte. 

Foto: Stephan Müller.

Der Flaggenstreit

Auch wenn Albert Preu nicht immer Toleranz gegenüber seinen politischen Gegnern zeigte, gelang es ihm in den ersten Jahren, dass fast 90 Prozent der Stadtratsbeschlüsse einstimmig gefasst wurden. 

Den Unmut seiner bürgerlichen Kollegen zog er sich allerdings in dem sogenannten „Flaggenstreit“ zu. Als die Stadtverwaltung nach dem Tod des ersten sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert eine Trauerbeflaggung veranlasste, forderte die bürgerliche Mehrheit des Stadtrats die sofortige Entfernung. 

Der spätere Bayreuther Ehrenbürger sprach sich für eine Beflaggung aus und erinnerte daran, dass diese Ehre auch toten Gegnern erwiesen werden sollte. Daraufhin warf man ihn eine fehlende vaterländische Gesinnung vor.

Nazis im Stadtrat

Noch schwieriger wurde seine Amtszeit mit dem Einzug der Nationalsozialisten in den Stadtrat. Der höfliche und in bürgerlich-konservativen Traditionen verwurzelte Sohn eines Kirchenrates, der stets mit einer ausgleichenden kommunalpolitische Strategie Erfolg hatte, war den lauten und volksverhetzenden Rhetorikern der NSDAP – allen voran der junge Hans Schemm – unterlegen. 

Am 1. Mai 1933 wurde Albert Preu im 65. Lebensjahr „nach Erreichung der Altersgrenze“ von den neuen Machthabern in den Ruhestand geschickt. Die NSDAP übernahm endgültig die Macht in der Wagnerstadt.

Über die nationalsozialistischen Bürgermeister berichten wir im nächsten Teil unserer Serie. 


Text: Stephan Müller

Bayreuths Bürgermeister: Ein Gentleman mit Fingerspitzengefühl

In Teil 9 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Dr. Leopold Casselmann.


Bayreuth oder Augsburg?

Am 15. Februar 1900 starb Theodor Ritter von Muncker im 77. Lebensjahr am 37. Jahrestag seiner Bürgermeisterwahl. Schon am 1. März tagten 33 Mitglieder des Gemeindecollegiums im Saale des Frohsinns und wählten den liberalen Reichtags- und Landtagsabgeordneten Dr. Leopold Casselmann zum neuen Stadtoberhaupt. 

Dr. Gustav Holle schreibt in seinem Buch „Geschichte der Stadt Bayreuth: 

Obgleich demselben zu gleicher Zeit von der Stadt Augsburg die stelle eines 1. Bürgermeisters angetragen war, so entschied sich derselbe doch für seine Vaterstadt. Am 11. April vormittags um 11 Uhr fand in dem festlich geschmückten Saale des Gasthofs zum Anker dessen feierliche Einsetzung durch den kgl. Regierungsrath Adolf Zink statt, worauf ein Festessen mit 170 Theilnehmern folgte.

Der letzte Oberbürgermeister der Kaiserzeit

Der überzeugte Monarchist und Patriot, der sich ab 1907 „Oberbürgermeister“ nennen durfte, regierte übrigens nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 eine Seelenzahl von 29.384 in 6.144 Haushaltungen. In Bayreuth lebten damals 23.580 Protestanten, 5.199 Katholiken und 375 Israeliten. Die Amtszeit des Bayreuther Ehrenbürgers dauerte bis 30. Juni 1919. Er war der letzte Bayreuther Oberbürgermeister der Kaiserzeit.

Ein Gentleman

Casselmann ist am 29. Juni 1858 im hessischen Fischbeck geboren, kam aber als 13-jähriger Gymnasiast nach Bayreuth. Er studierte in Marburg Rechtswissenschaft, wurde Reserveoffizier und war ab 1886 an in Bayreuth als Rechtsanwalt und ab 1891 als städtischer Magistratsrat tätig.

Von 1897 bis 1918 war er Mitglied des Bayerischen Landtags und stieg bis zum Fraktionsvorsitzenden seiner Nationalliberalen Partei und Vizepräsident des Bayerischen Landtags auf. Als Nachfolger Feustels zog er 1891 gleichzeitig in den Reichstag ein. Er war der letzte Bürgermeister der vom Magistrat und nicht von den Bürgern gewählt wurde. Dennoch galt er als „Gentleman“.

Ausblick

Sein Nachfolger Albert Preu, dem der nächste Teil unserer Serie gewidmet ist, lobte ihn als „ritterliche Erscheinung voll Menschenfreundlichkeit und herzgewinnender Liebenswürdigkeit“ aber auch als „überzeugungsfesten und streitbarer Politiker von glühender Vaterlandsliebe“. 

Dr. Leopold von Casselmann, der sein Oberbürgermeisteramt mit viel „Fingerspitzengefühl“ ausübte, amtierte bis zum 30. Juni 1919. Er starb am 23. Mai 1930, im selben Jahr wie Cosima und Siegfried Wagner, in Bayreuth. Casselmanns Nachfolger war Albert Preu.


Text: Stephan Müller

 

Theodor Ritter von Muncker: Er holte Richard Wagner nach Bayreuth

In Teil 8 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller, wie es ein Bayreuther Bürgermeister schaffte Richard Wagner nach Bayreuth zu locken.


Festspielgäste statt Badegäste

Der Nachfolger von Bürgermeister Friedrich Carl Dilchert wurde Theodor Ritter von Muncker (1823 – 1900), der in der Bayreuther Stadtgeschichte immer mit den ersten Bayreuther Festspielen genannt werden muss.

Zusammen mit dem Bankier Friedrich Feustel gelang es dem gebürtigen Bayreuther, Richard Wagner an Bayreuth zu binden. Vielleicht unter dem Eindruck einer „Tannhäuser“-Aufführung am 30. Juni 1860, die anlässlich der fünfzigjährigen Zugehörigkeit Oberfrankens zum bayerischen Königreich im Markgräflichen Opernhaus aufgeführt wurde und der Bürgermeister Muncker mit großer Wahrscheinlichkeit beiwohnte.

Am 1. November 1871 gab Wagner Bürgermeister Muncker und dem Gemeinderats-Vorsitzenden Friedrich Feustel seine Festspielabsichten bekannt. Seine Wahl sei deshalb auf Bayreuth gefallen, weil es ihm das Badepublikum fernhalte, kein stehendes Theater habe und in Bayern gelegen sei.

Wohin mit einem Festspielhaus?

Daraufhin teilte ihm Muncker mit, dass er vom Stadtmagistrat am Stuckberg bei Sankt Georgen ein Grundstück erhalte, um dort ein Festspielhaus zu bauen. Man werde das Grundstück von der Bayreuther Familie Rose erwerben und ihm als Baugelände für das Festspielhaus zur Verfügung stellen. Wagner besichtigte das Grundstück am 15. Dezember 1871. Der Standort sagte ihm zu. Aus dem Plan sollte jedoch nichts werden. Ein Miteigentümer der Familie Rose verweigerte der Stadt den Grundstücksverkauf. So reisten Muncker und Feustel am 8. Januar 1872 zu Wagner in das Haus Tribschen an den Vierwaldstätter See, um dem Meister einen neuen Standort unterhalb der „Bürgerreuth“ schmackhaft zu machen, was ihnen nach langen Diskussionen auch gelang.

Mehr dazu:

Verantwortlich für die ersten Telefonanschlüsse

Muncker, der von 14. Februar 1863 bis zu seinem Tod am 14. Februar 1900 – auf den Tag genau 37 Jahre nach seiner Wahl – Oberbürgermeister war, war der Sohn eines Kreiskassedieners. Er kehrte 1851 nach seinem Jurastudium in Erlangen und München in seine Vaterstadt zurück und bekam eine Stellung in der Stadtverwaltung.

In Munckers 37-jährige Amtszeit fällt der Bau des Zentralschulgebäudes (heute Graserschule), das damaligen Kasernenviertels und natürlich die wichtigsten Errungenschaften des Industriezeitalters wie der Bayreuther Anschluss an das Eisenbahnnetz, der Ausbau der Trinkwasser- und Abwasserleitungen oder die ersten Telefonanschlüsse verwirklichen.

Er förderte das Schul- und Gesundheitswesen und setzte sich mit dem Bau einer Turnhalle in der Dammallee oder einer städtischen Badeanstalt im Main auch für die sportlichen Aktivitäten der 1861 gegründeten Turnerschaft ein. Im Jahr 1887 wurde er durch die Verleihung des bayerischen Kronenordens in den Adelsstand erhoben, ehe ihm 1891 noch der Rang und Titel eines Hofrats verliehen wurde. Munckers Nachfolger wurde der liberale Reichtags- und Landtagsabgeordneten Dr. Leopold Casselmann.


Text: Stephan Müller