Serien, Formate und mehr aus Bayreuth und für Bayreuth

RaPod: Mit Bayreuths Rappern vor der Kamera

Wer denkt, es gäbe Rapmusik nur in Städten wie Berlin, Hamburg oder Stuttgart, der irrt sich. Auch in Bayreuth ist – was den deutschen Rap anbelangt – einiges geboten. Hier gibt’s einen Überblick.

Auf großen und kleinen Bühnen

In den 90er-Jahren war Hip Hop in Deutschland eine Jugendbewegung und fand in Jugendzentren und kleinen Clubs statt. Die Luft war geschwängert vom Rauch, die Hosen waren weit und die Leute dort hatten Bock. Bock auf Rap, Bock auf Breakdance, Grafitti und darauf, die gemeinsame Kultur nach vorne zu bringen.

Heute ist das anders. Heute stehen die bekannten Vertreter des Genres regelmäßig an der Chartspitze. Die Szene ist weniger persönlich geworden, zumindest in der Spitze. Dennoch ist der Erfolg groß. Der Plan, den Rap-Größe Samy Deluxe am Anfang seiner (Mainstream-) Karriere hatte, ging also voll auf.

Ich rap‘ nicht um Charthits zu landen, sondern um so viele zum Rap zu bringen, dass ich dann in die Charts komm‘.

(Samy Deluxe auf Dynamite Deluxe – Eigentlich (2000))

Desto & Nasher. Das Hip Hop Duo auf der Bühne. Foto: Desto & Nasher.

Live on Stage

Der Stellenwert der Rapmusik macht sich auch im kleinen Rahmen bemerkbar. Und dort ist das Zusammengehörigkeitsgefühl auch noch da. Zumindest in Bayreuth. Egal wo in der Region eine Bühne steht, es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch mal ein Rapper darauf seine Songs zum besten gibt.

Kid38 live. Foto: Purple Mind Records.

Neben dem Auftritt von Kid38 beim Uni Festival und der Performance von Bayreuths Hip Hop Elite auf dem Bürgerfest, gibt es die Bayreuther Künstler regelmäßig in Live-Action zu sehen. Auch auf dem Kneipenfestival wurde wieder ordentlich gerappt. Dort trat neben dem Bayreuther Rap-Duo Desto & Nasher auch Fiva auf.

Gute Texte für die gute Sache

Dass es im Hip Hop nicht immer nur um klischeehafte Texte über Gewalt, Autos und Luxusmarken gehen muss, zeigen viele der Bayreuther Künstler die sich oft auch mit der „Alten Schule“ verbunden fühlen. Während die Texte von Rappern anderorts von Ethikkommissionen und der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien durchleuchtet werden, schaffte es der Bayreuther Rapper FegeR mit einem seiner Texte in einen Gedicht-Sammelband.

Faxe & Falk live. Foto: Privat.

Auch Kid38 kann mit Texten über Waffen und Geld weniger anfangen und rappt lieber quer durch die Bank über alles, von Animes bis hin zu Philosophen wie Immanuel Kant. Und dass Texte über Frauen auch humorvoll sein können, zeigt das Duo Faxe & Falk.

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Unterhund: Superphad. Foto: Frederik Eichstädt.

Andere seiner Artgenossen engagieren sich im sozialen Bereich. In Hip Hop Workshops mit der Organisation Condrobs lernen Superphad (Steffen Rieß) und Zac (Michael Sack) jungen Geflüchteten das Rappen. Höhepunkt des Ganzen: eine große Hip Hop Jam am 21. September im Iwalewahaus, bei der die heranwachsenden Künstler alle auf der Bühne stehen konnten.

Zac live on Stage. Foto: Privat.

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RaPod

Im RaPod interviewen die Moderatoren Frederik Eichstädt und Johannes „Quasi“ Besold regelmäßig Vertreter aus der Bayreuther Rapszene. Im Rahmen dieser Interviews sind einige Filmaufnahmen entstanden. Im Video über dem Text gibt es die besten Ausschnitte aus diesen Drehs zu sehen. 

Der Bayreuther Rapper und RaPod-Moderator Quasi. Foto: Privat.

Jean Paul: Sieben Männer streiten um ein Erbe

Sieben Männer, die um ein Erbe streiten. So könnte ein Kinofilm beginnen. Dass das ein Werk von Jean Paul ist, vermutet man im ersten Moment nicht. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller beweist mit der Erzählung „Testamentsvollstreckung“, dass Jean Paul nicht immer trocken und schwere Kost sein muss.


Stoff wie für einen Kinofilm

Im dem Kinofilm „Didi und die Rache der Enterbten“ mit Didi Hallervorden aus dem Jahr 1985 stirbt der Bankier Gustav Böllemann, nachdem er sich kurz zuvor noch mit einer leichten Dame amüsiert hatte. In der Testamentsverkündung zeigt der Notar der anwesenden Verwandtschaft von Gustav: In seinem letzten Willen enterbt Böllemann seine gierigen Nichten und Neffen, die es alle zu nichts gebracht haben und benennt stattdessen Dieter Dödel, einen Neffen dritten Grades, als Alleinerben seines Millionen-Vermögens.

Zumindest die Handlung am Anfang dieses Filmes erinnert an eine herrliche Erzählung eines großen Bayreuthers, an Jean Paul und seine „Testamentseröffnung“ in dem Buch „Die Flegeljahre“. Jean Paul, der zu Lebzeiten zeitweise der meistgelesenste Autor in Deutschland war, ist in Vergessenheit geraten. Konnten seine Zeitgenossen seine Bücher ohne Probleme lesen, sind sie für uns heute schwere Kost.

Porträt Jean Paul im Rathaus. Foto: Stephan Müller

Leseexpedition durch Jean Pauls Werk

Am besten beschrieb dies der Chefredakteur Erich Rappl im Jahre 1963 im „Bayreuther Tagblatt“: „Allzu viele, die ihn für sich entdecken wollten, haben ihre Leseexpedition durch das Urwaldgestrüpp seiner ‚Flegeljahre‘ abgebrochen und bestenfalls auf ein vages ‚Spätereinmal‘ verschoben. Denn wer nichts anderes will, als auf der glatten Bahn einer zügig und knapp dahinerzählten Romanhandlung voranzublättern, der wird bei Jean Paul nie zum Ziele gelangen.“

„Die Testamentsvollstreckung“

Eine von Jean Pauls amüsantesten Erzählungen ist die „Testamentsvollstreckung“ aus dem Buch „Die Flegeljahre“.

Der vermögende Herr Van der Kabel aus Haßlau hat das Zeitliche gesegnet. Sieben Männer erscheinen zur Testamentseröffnung und hoffen auf ein großes Erbe.

Sieben noch lebende weitläuftige Anverwandte von sieben verstorbenen weitläuftigen Anverwandten Kabels machten sich zwar einige Hoffnung auf Plätze im Vermächtnis, weil der Krösus ihnen geschworen, ihrer da zu gedenken; aber die Hoffnungen blieben zu matt, weil man ihm nicht sonderlich trauen wollte.

(Auszug aus Jean Pauls „Testamentsvollstreckung“)

Schreibfeder mit Tinte, Bierkrug und die Gästebücher im Dichterstübchen. Foto: Stephan Müller

War Van der Kabel doch immer jemand, der „so spöttisch dareingriff und mit einem solchen Herzen voll Streiche und Fallstricke“. Und tatsächlich sollten die Anverwandten eine böse Überraschung erleben, als der Bürgermeister als „Ober-Exekutor“ verlas:

Demzufolge vermach‘ ich denn dem Hrn. Kirchenrat Glanz, dem Hrn. Hoffiskal Knoll, dem Hrn. Hofagent Peter Neupeter, dem Hrn. Polizei-Inspektor Harprecht, dem Hrn. Frühprediger Flachs und dem Hrn. Hofbuchhändler Paßvogel und Hrn. Flitten … vor der Hand nichts ….

Als sie erfahren, dass das Vermögen an „hiesige Stadtarme“, den Schulmeistern des Fürstentums, der Judenschaft und an einen Universalerben geht, fallen die sieben „Anverwandten“ fast vom Hocker:

Sieben lange Gesichtslängen fuhren hier wie Siebenschläfer auf.

Van Kabel begründet dies in seinem Testament damit, weil er von jedem Einzelnen weiß, dass sie „seine geringe Person lieber haben als sein großes Vermögen“.

Eine Locke von Jean Paul war das schönste Andenken für die Damen der gehobenen Gesellschaft – zumindest bis durchsickerte, dass diese Locken auch schon mal von seinem Pudel Ponto stammten. Foto: Stephan Müller

Mitten in die Wut und die Flüche der sieben Männer verliest der Bürgermeister die dritte Klausel des Testaments: Zu vererben wäre noch das Haus in der Hundsgasse: Das Haus erbt derjenige von seinen sieben genannten Hrn. Anverwandten, „welcher früher als die übrigen sechs Nebenbuhler eine oder ein paar Tränen über mich, seinen dahingegangenen Onkel, vergießen kann. Bleibt aber alles trocken, so muss das Haus gleichfalls dem Universalerben verfallen.“

Hier machte der Bürgermeister das Testament zu, merkte an, die Bedingung sei wohl ungewöhnlich, aber doch nicht gesetzwidrig, sondern das Gericht müsse dem ersten, der weine, das Haus zusprechen, legte seine Uhr auf den Sessionstisch, welche auf 11 1/2 Uhr zeigte, und setzte sich ruhig nieder, um als Testaments-Vollstrecker so gut wie das ganze Gericht aufzumerken, wer zuerst die begehrten Tränen über den Testator vergösse.

Ob es den enttäuschten, erbosten und aufgebrachten Verwandten gelingt, gerade in diesem Moment eine Träne für den Verstorbenen zu verdrücken?

Und nun zum Original

An dieser Stelle steigen wir in Jean Pauls Original mit den schrulligen Gedanken jedes einzelnen „Erben“ und schließlich mit der Auflösung ein. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen. Probieren Sie es … Es lohnt sich!

Dass es, solange die Erde geht und steht, je auf ihr einen betrübteren und krauseren Kongress gegeben als diesen von sieben gleichsam zum Weinen vereinigten trocknen Provinzen, kann wohl ohne Parteilichkeit nicht angenommen werden.

Jean Paul im Sonnenlicht. Foto: Stephan Müller

Anfangs wurde noch kostbare Minuten hindurch bloß verwirrt gestaunt und gelächelt. An reine Rührung konnte – das sah jeder – keiner denken, so im Galopp an Platzregen, an Jagdtaufe der Augen; doch konnte in 26 Minuten etwas geschehen.


Kaufmann Neupeter

Der Kaufmann Neupeter fragte, ob das nicht ein verfluchter Handel und Narrensposse sei für einen verständigen Mann, und verstand sich zu nichts; doch verspürt‘ er bei dem Gedanken, dass ihm ein Haus auf einer Zähre in den Beutel schwimmen könnte, sonderbaren Drüsen-Reiz und sah wie eine kranke Lerche aus, die man mit einem eingeölten Stecknadelknopfe – das Haus war der Knopf – klistiert.


Hoffiskal Knoll

Der Hoffiskal Knoll verzog sein Gesicht wie ein armer Handwerksmann, den ein Gesell Sonnabend abends bei einem Schusterlicht rasiert und radiert; er war fürchterlich erboset auf den Mißbrauch des Titels von Testamenten und nahe genug an Tränen des Grimms.


Buchhändler Paßvogel

Der listige Buchhändler Paßvogel machte sich sogleich still an die Sache selber und durchging flüchtig alles Rührende, was er teils im Verlage hatte, teils in Kommission; und hoffte etwas zu brauen; noch sah er dabei aus wie ein Hund, der das Brechmittel, das ihm der Pariser Hundearzt Hemet auf die Nase gestrichen, langsam ableckt; es war durchaus Zeit erforderlich zum Effekt.


Flitte aus Elsaß

Flitte aus Elsaß tanzte geradezu im Sessionszimmer, besah lachend alle Ernste und schwur, er sei nicht der Reichste unter ihnen, aber für ganz Straßburg und Elsaß dazu wär‘ er nicht imstande, bei einem solchen Spaß zu weinen.


Polizei-Inspektor Harprecht

Zuletzt sah ihn der Polizei-Inspektor Harprecht sehr bedeutend an und versicherte: falls Monsieur etwa hoffe, durch Gelächter aus den sehr bekannten Drüsen und aus den Meibomischen und der Karunkel und andern die begehrten Tropfen zu erpressen und sich diebisch mit diesem Fensterschweiß zu beschlagen, so wolle er ihn erinnern, dass er damit so wenig gewinnen könne, als wenn er die Nase schneuzen und davon profitieren wollte, indem in letztere, wie bekannt, durch den ductus nasalis mehr aus den Augen fließe als in jeden Kirchenstuhl hinein unter einer Leichenpredigt. – Aber der Elsasser versicherte, er lache nur zum Spaß, nicht aus ernsteren Absichten. Der Inspektor seinerseits, bekannt mit seinem dephlegmierten Herzen, suchte dadurch etwas Passendes in die Augen zu treiben, dass er mit ihnen sehr starr und weit offen blickte.


Frühprediger Flachs

Der Frühprediger Flachs sah aus wie ein reitender Betteljude, mit welchem ein Hengst durchgeht; indes hätt‘ er mit seinem Herzen, das durch Haus- und Kirchenjammer schon die besten schwülsten Wolken um sich hatte, leicht wie eine Sonne vor elendem Wetter auf der Stelle das nötigste Wasser aufgezogen, wär‘ ihm nur nicht das herschiffende Flöß-Haus immer dazwischengekommen als ein gar zu erfreulicher Anblick und Damm.


Kirchenrat Glanz

Der Kirchenrat Glanz, der seine Natur kannte aus Neujahrs- und Leichenpredigten, und der gewiss wusste, dass er sich selber zuerst erweiche, sobald er nur an andere Erweichungs-Reden halte, stand auf – da er sich und andere so lang am Trockenseile hängen sah – und sagte mit Würde, jeder, der seine gedruckten Werke gelesen, wisse gewiss, dass er ein Herz im Busen trage, das so heilige Zeichen, wie Tränen sind, eher zurückzudrängen, um keinem Nebenmenschen damit etwas zu entziehen, als mühsam hervorzureizen nötig habe aus Nebenabsichten. – »Dies Herz hat sie schon vergossen, aber heimlich, denn Kabel war ja mein Freund«, sagt‘ er und sah umher. Mit Vergnügen bemerkte er, dass alle noch so trocken dasaßen wie Korkhölzer; besonders jetzt konnten Krokodile, Hirsche, Elefanten, Hexen, Reben leichter weinen als die Erben, von Glanzen so gestört und grimmig gemacht.


Bloß Flachsen schlugs heimlich zu; dieser hielt sich Kabels Wohltaten und die schlechten Röcke und grauen Haare seiner Zuhörerinnen des Frühgottesdienstes, den Lazarus mit seinen Hunden und seinen eigenen langen Sarg in der Eile vor, ferner das Köpfen so mancher Menschen, Werthers Leiden, ein kleines Schlachtfeld und sich selber, wie er sich da so erbärmlich um den Testaments-Artikel in seinen jungen Jahren abquäle und abringe – noch drei Stöße hatt‘ er zu tun mit dem Pumpenstiefel, so hatte er sein Wasser und Haus.

Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

»O Kabel, mein Kabel«, fuhr Glanz fort, fast vor Freude über nahe Trauertränen weinend: »Ich glaube, meine verehrtesten Herren«, sagte Flachs, betrübt aufstehend und überfließend umhersehend, »ich weine« – setzte sich darauf nieder und ließ es vergnügter laufen;  … Er war nun auf dem Trocknen.


Text: Stephan Müller


Wie eine Glocke: Was von der Bayreuther Stadtmauer noch übrig ist

Zugegeben: Mit der vollständigen erhaltenen Stadtmauer in Nördlingen oder den mittelalterlichen Wehranlagen in Rothenburg ob der Tauber kann die Bayreuther Stadtmauer nicht mithalten. Dennoch wären so manche Städte stolz darauf, wenn sie behaupten könnten, dass heute noch zwei Drittel der historischen Wehranlage erhalten sind. Von einem kreisrunden Mauer-„Ring“ kann man in Bayreuth nicht sprechen. Der Mauerverlauf ähnelt in seiner an die Landschaft angepassten Form eher an eine Glocke. Die Wehranlage um die Stadt Bayreuth wurde um das Jahr 1300 errichtet und in den Jahren 1448, 1457 und 1660 verstärkt. Hobby-Historiker Stephan Müller hat sich die Stadtmauer genauer angesehen.


Foto: Stephan Müller

Ein Graben vor der Mauer

Ob der davor gelagerte Graben mit Wasser – möglicherweise vom Roten Main und dem Sendelbach – gespeist wurde, lässt sich heute nur noch vermuten. Dass es diese Gräben gab, beweisen der ehemalige Straßenname „Am Graben“ und eindrucksvoll der Garten des Hauses Friedrichstraße 5. Ein Blick hinter das Sterbehaus von Jean Paul verdeutlicht den deutlichen Höhenunterschied, der zwischen der Straße und dem Graben bestand.

Mauer an der Opernstraße vor Errichtung des Wittelsbacher Brunnens 1914. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Neben dem Mühltürlein und dem „Schanztor“ neben dem Alten Schloss (Schloßberglein), die nur für Fußgänger zugänglich waren, gab es mit dem Oberen Tor und dem Unteren Tor nur zwei große Tore, die im Rahmen einer markgräflichen „Stadtverschönerung“ im Jahr 1752 abgerissen wurden.

Das waren die Tore der Stadt

Markgraf Friedrich vergrößerte die Stadt, in dem er neue Tore errichten ließ, die allerdings nur Kontroll- und Zollfunktionen hatten. Gedenktafeln an der Badstraße 30 (Ziegelgässer Tor) und an der Richard-Wagner-Straße 34 (Eremitager Tor) erinnern an den erweiterten Stadtkern. Darüber hinaus gab es unter anderem das Brandenburger Tor, das Erlanger Tor (Erlanger Straße), das Moritzhöfener Tor (an der heutigen Jean-Paul-Straße beim „Gänsehügel“) sowie das Röthgasser Türlein, das aber möglicherweise mit dem ebenfalls erwähnten Cottenbacher Tor (etwa am Güterbahnhof) identisch ist.

Das Obere Tor führte im Mittelalter vom Markt zum heutigen Sternplatz. Es bestand aus einem inneren und einem äußeren Tor, zwischen denen es mehrere kleine Gebäude gab, die als Läden und Werkstätten benutzt wurden. Der innere Torteil der Wehranlage stand zwischen dem Schloss und der Schmiedgasse (Kanzleistraße) und wird als ein viereckiges mit Schiefer gedecktes Gebäude mit Flügeltüren beschrieben. Erwähnt wurden auch ein „Fallgatter“ und „Palisaden“. Es wurde 1736 auf Befehl von Markgraf Friedrich abgetragen.

Einiges lässt sich nur noch aus alten Chroniken, Skizzen und Stadt-Stichen erahnen: Die Lage der ehemaligen Tore, die Türme, der Schwertelturm, der Teufelsturm „mit je zwei Hackenbüchsen und einer Büchse im Gerüst“, der ehemalige Pfeilturm bei der Stadtkirche „mit Armbrüsten, Pfeilen, Böcken und Bänken gefüllt“, der Pulver- oder Gefängnisturm und die ebenfalls durch einen Turm gekrönte Wächterwohnung am Mühltürlein. Von den ehemals sechs Wehrbefestigungen ist nur noch eine, der Diebsturm hinter der von-Römer-Straße (Zugang neben dem Café Händel in der Dammallee), erhalten.

Das Untere Tor stand in der heutigen unteren Fußgängerzone und war mit einer gewölbten und einer „Schlagbrücke“ versehen. Daneben standen ein „Wacht- und Schützenhaus“ sowie der „Pulver- und Gefängnisturm“. Hinter dem Wohnhaus der Wagner-Freundin Malwida von Meysenburg (Gedenktafel an der Ecke Dammallee/Dammwäldchen) stand der starke „Teufelsturm“. Auf dem Stadtbild des Küffnerschen Epitaphs von 1615 (in der Stadtkirche) ist er als klobiger Eckpfeiler der Stadtmauer zu erkennen.

Das Gemälde auf dem Küffner‘schen  Epitaph von 1615 zeigt die zerstörte Stadtkirche (Stadtbrand 1605). Es ist aber noch das Rathaus (zerstört beim Stadtbrand 1621) zu sehen. Unmittelbar vor dem Schlossturm sieht man bereits ein Haus, dass auf die Stadtmauer gebaut wurde. Am ganz rechten Rand erkennt man den Teufelsturm.

Was von damals noch erhalten ist

Erhalten sind noch der viereckige „Schwertelturm“ hinter dem ehemaligen Café Händel und zwei von drei Ravelins, die vor der Stadtmauer standen. Diese beiden Wachhäuser für die Soldaten, die die Tore schützen sollten, stehen noch heute in der Nähe der beiden Standorte des Unteren und Oberen Tores am Hohenzollernring (früher Firma Eisen-Ries) und im Garten des Hauses Maximilianstraße 9 (früher Siegelin und Buck), in dem Jean Paul seine erste Wohnstätte in Bayreuth fand.

Vom Garten des Miam Miam Glou Glou zu sehen. Der Rest eines Wappens der an einem Ravelin, also einem Wachhaus der Wachsoldaten hing. Foto: Stephan Müller.

Stadtmauer wird überflüssig

Mit der Einführung der Feuerwaffen verloren die Stadtmauern an Bedeutung. In Bayreuth führte dieser Umstand dazu, dass die komplette Wehranlage im Jahr 1745 an die Bürger verkauft wurde. In der heutigen Von-Römer-Straße (damals Judengasse) nutzten die Anwohner die Umschanzung als Außenmauer für ihre neuen Häuser.

Diese Idee war zu diesem Zeitpunkt nicht neu. Auf dem bereits erwähnten Stadtbild des Küffnerschen Epitaphs ist zu erkennen, dass schon mindestens 130 Jahre vorher ein einzelnes Haus auf die Stadtmauer gebaut wurde. Durch die Aufschüttung des Grabens wurden in Richtung Dammallee weitere Baugrundstücke geschaffen, die den immer noch vorhandenen Mauerring verschwinden ließen.

Foto: Stephan Müller

Reste werden wieder freigelegt

Erst der Bau des Hohenzollernrings in den siebziger Jahren und die Häuserabrisse in der Dammallee (Kegelbahn und Textilreinigung Wild) vor etwa 15 Jahren wurden wieder große Teile der Stadtmauer freigelegt. Damit endete das fast zwei Jahrhunderte lange Mauerblümchendasein der alten Wehranlage.

Ebenfalls umfunktioniert wurde die Stadtmauer im Bereich des Schloßbergleins und der Opernstraße. Das Mauerwerk bietet heute den Hintergrund für den Wittelsbacher Brunnen, der 1914 (mit vier Jahren Verspätung) zum 100-jährigen Anschluss Bayreuths an das Königreich Bayern errichtet wurde. Westlich neben dem mächtigen Alten Schloss, in dessen Bereich kein Mauerring notwendig war, zog sich die Befestigung entlang der heutigen Kanalstraße bis zum heutigen Hohenzollernring entlang. Dort könnte es – ähnlich wie am Hohenzollernring im Bereich der Frauengasse – teilweise eine in diesem Bereich wichtige Doppelmauer gegeben haben, die einen Verteidigungsgang möglich machte. Im Stadtbuch von 1464 heißt es, dass die „Viertelmeister“ die Stadtmauer regelmäßig begehen mussten.

Foto: Stephan Müller

Dass diese jedoch nicht überall begehbar war, erkennt man bei einem Spaziergang durch den Hof der Regierung von Oberfranken zwischen der Ludwigstraße und der Kanzleistraße. Neben dem schönen Präsidentengarten und in den Hinterhöfen des evangelischen Dekanats und dem Pfarrhaus ist die hohe Wehranlage in über sechs Jahrhunderten unverändert geblieben.

Ein inzwischen abgerissener Teil der Stadtmauer im Hof der Regierung von Oberfranken. Foto: Archiv Stephan Müller.


Text: Stephan Müller

Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

Gessn werd dahaam: Zu Besuch in der Privatkelterei Lehen

In Folge 16 ist Christoph Scholz zu Besuch in der Saftkelterei Lehen.

Simpsons- und Opernregisseur: Das ist Matthias von Stegmann

Der Bayreuther Matthias von Stegmann ist ein Multitalent. Ein Blick auf seine Wikipediaseite bestätigt das. Dort wird er als Schauspieler, Synchronsprecher, Dialogbuchautor, Synchronregisseur, Autor und Opernregisseur bezeichnet. In seiner Arbeit bewegt sich der Sohn einer Japanerin und eines Deutschen zwischen den Simpsons und den Bayreuther Festspielen.

Das Bayreuther Tagblatt stellt den 50-Jährigen im Porträt vor. In Teil 1 geht es um seinen Start im Mediengeschäft, seine Verbundenheit zu Bayreuth und seine bekanntesten Projekte. 

Schon als Kind im TV-Geschäft

Stegmann stammt ursprünglich aus dem Raum München. Dort begann seine Karriere in jungen Jahren. Schon als Zehnjähriger synchronisierte er Sendungen wie „Unsere kleine Farm“, „Die Bären sind los“ oder „Luzie, der Schrecken von der Straße“. Den Zugang zur Medienwelt bekam er durch seine Mutter, die selbst als Übersetzerin für das Fernsehen tätig war.

Die Zeit spielte Stegmann in die Karten. Gerade als er 18 wurde, brach in Deutschland der große Privatsenderboom aus, nachdem Mitte der 80er-Jahre der erste Privatsender der Bundesrepublik an den Start ging.

Plötzlich gab es in Deutschland so viele neue Sender und damit auch unglaublich viel Fernsehzeit zu füllen. Die Verantwortlichen haben händeringend nach Leuten gesucht.

(Matthias von Stegmann)

Matthias von Stegmann im Gespräch beim Bayreuther Tagblatt. Foto: Magdalena Dziajlo.

Quer durch die Medienlandschaft

Einer dieser neuen Medienmacher war Stegmann: Mit 19 Jahren schrieb er so sein erstes Synchrondrehbuch für das Fernsehen. Dabei geht es nicht bloß darum, den Inhalt der englischsprachigen Originale 1:1 zu übersetzen. Vielmehr müsse man dabei auch viel neu erfinden, Sprachebenen finden und Entscheidungen treffen. Ein Blick in Stegmanns Vita zeigt, dass er das zu beherrschen scheint.

Unter den von ihm betreuten Projekten finden sich der Blockbuster „The Sixth Sense“ mit Bruce Willis oder auch das Phantom der Oper von Andrew Lloyd Webber. Daneben arbeitet er seit 2006 als Dialogbuchschreiber und Synchronregisseur für die Zeichentrickserien Die Simpsons, Family Guy und Futurama.

Man kann Dinge nicht einfach aus der Fremdsprache übernehmen und stur übersetzen. Man muss die Figur der Vorlage verstehen und ihren Charakter dann möglichst genau ins Deutsche übertragen.

(Matthias von Stegmann)

Herausforderungen

So könne man die englische Redewendung „it’s raining cats and dogs“ nicht mit „es regnet Katzen und Hunde“ übersetzen. Vielmehr müsse man hier zum Beispiel ein „es regnet in Strömen“ daraus machen. Auch kulturelle Merkmale müsse man sich stets bewusst machen. Menschen in Thailand würden beispielsweise generell sehr laut sprechen. Bei der deutschen Adaption müsse man, um dieselben Aussagen zu treffen, die Lautstärke des jeweiligen Charakters herunterfahren.

Matthias von Stegmann im bt-Studio. Foto: Magdalena Dziajlo.

In Bayreuth zu Hause

Beruflich ist von Stegmann viel in der Bundesrepublik, aber auch im Ausland, unterwegs. Sein Heim hat er aber seit 15 Jahren in Bayreuth. Der Umzug in die Wagnerstadt erfolgte aus privaten Gründen, allerdings hatte er schon vorher Kontakte nach Bayreuth, weil er bei den Bayreuther Festspielen als Regieassistent und Spielleiter tätig gewesen ist. Daneben inszenierte er 2013 unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann Wagners Frühwerk Rienzi in der Oberfrankenhalle.

Stegmann genießt das Leben in Bayreuth. Insbesondere, weil er Oberfranken und die Menschen hier wahnsinnig gerne mag. Daneben sei die Region, bei schönem Wetter, in jedem Fall eine der schönsten Regionen Deutschlands.

Ich bin beruflich so viel in Großstädten unterwegs, dass ich es richtig genieße, wenn ich in eine schöne, übersichtliche Stadt wie Bayreuth zurückkomme.

(Matthias von Stegmann über Bayreuth)

Hinter den Kameras, abseits der Bühne

Ein Vorteil seiner Arbeit: Obwohl er im Mediengeschäft tätig ist, erkenne ihn auf der Straße kaum jemand. So könne er auch jedes Jahr freudig über das Oktoberfest laufen, ohne von den Leuten in Beschlag genommen zu werden. Darüber ist der 50-Jährige sehr froh.

Auch beim Inszenieren, dem Teil seiner Arbeit, der ihm am meisten Spaß macht, steht von Stegmann nicht im direkten Rampenlicht. Als Regisseur sei es für ihn das Schönste, dass er direkt mit den Menschen zusammenarbeiten kann. Dabei habe er sich natürlich in all den Jahren auch einen eigenen Stil geschaffen. Das sei ein bisschen wie bei einem Schreiner. Auch wenn viele dieselben Grundfertigkeiten hätten, würde am Ende jeder einen anderen Tisch machen.

In Teil 2 spricht das Bayreuther Tagblatt mit Matthias von Stegmann über seine Arbeit bei den Simpsons, Shitstorms und persönliche Vorlieben in der Fernsehwelt

Das ist Matthias von Stegmann

NameSteffen Berghammer
Geburtstag24. Februar 1987
VereinSchon immer und für immer HaSpo Bayreuth!
Lieblingsort in BayreuthDer Trimm-dich-Pfad 😉
Härtester GegenspielerIch bin mein eigener Endgegner
Größte ErrungenschaftIn einem Verein wie HaSpo Bayreuth Handball spielen zu dürfen
Mit diesen Mannschaftskameraden verstehe ich mich blindMit unseren Kreisläufern
Mein Ritual vor den SpielenMeine Nachbarskatze streicheln
Dieses Spiel würde ich gerne aus meinem Gedächtnis streichenDie Niederlagen gegen Team Jung beim Aufwärmkick (kommt aber seeeeeeehr selten vor)
Dieser Trainer war der härteste HundDefinitiv Berhard Müller
Bestes Lied aller ZeitenDas geheime, selbst komponierte Mannschaftsliedgut auf der Rückfahrt von Auswärtsfahrten
Das tue ich zum EntspannenSiehe Ritual vor dem Spiel
LieblingsessenHauptsache selbst gekocht
Meine Ziele mit HaSpoSpiel für Spiel gewinnen!
Mein VorbildMein Vater
LieblingsfilmIch schaue lieber Serien. Die Beste davon ist Shameless!

Kindheitstraum Tätowierer: „Geld ist mir nicht so wichtig, wie mein Gewissen“

Michael Müller aus Himmelkron hat ein Studio für Piercings und Tattoos und sich damit seinen Kindheitstraum erfüllt. Er ist gnadenlos ehrlich und sticht nur die Motive, die seiner Meinung nach zu den Personen passen und, die er technisch verwirklichen kann. An diesem Wochenende ist er Teil der International Tattoo Convention in Bindlach.

Mit Mutti-Zettel: Piercing ja, Tattoo nein

„Ich habe schon als Kind Menschen mit Tattoos bewundert“, sagt Michael Müller. Mit 15 Jahren hat er begonnen erste eigene Skizzen für Tattoos zu zeichnen. „Seitdem habe ich auch mein erstes Piercing. Damals habe ich sogar noch die Einverständnis meiner Eltern gebraucht“, erklärt er und lacht. Das Piercing an der Brustwarze sei kein Problem gewesen. Denn man hätte es ja leicht wieder herausnehmen können. Beim Thema Tattoo ist Michael allerdings erst einmal gegen eine Wand gelaufen: „Ein Tattoo bleibt eben für immer. Deswegen konnte ich meinen Wunsch erst mit 18 Jahren umsetzen“, so der heute 32-Jährige.

Wissen aus der Sanitäterausbildung

Um Piercings oder Tattoos zu stechen, gebe es keine offizielle Ausbildung. Er empfehle immer sich Feedback von Bekannten zu holen oder online nachzufragen, um herauszufinden, ob ein Studio taugt oder nicht. „Ich habe viel in anderen Studios  zugesehen und gelesen. Auch meine Sanitäter-Ausbildung hat mir da ein Stück weit geholfen, dass ich mich gut mit dem Körperaufbau und der Wundheilung auskenne.“

2007 hat sich Michael Müller seinen Traum erfüllt und sein Piercingstudio im Elternhaus eröffnet. In der Szene ist Müller als „Muli“ bekannt. So heißt auch sein Studio: „crazy-muli-piercing“. Inzwischen hat er den Laden jetzt im eigenen Haus in Himmelkron.

Tattoos sind eine Vertrauenssache. Die Menschen legen dir ihre Haut in die Hände.

(Michael Müller)

Schriften und Geometrisches

„Ich habe so lange gezeichnet, bis die Qualität gut war und mich beim Tattoo Stechen erst einmal an Freunden ausprobiert“, sagt er. Seit 2009 tätowiert er selbst. Muli hat viele Anfragen: „Heute mache vor allem die Anfragen, die mir Spaß machen.“ Er arbeitet mit einer Rotationsmaschine. Am liebsten sticht er Linien, Schriften oder Geometrisches in schwarz-grau. „Den Weg möchte ich beibehalten“, so Muli. Aber auch Oldschool und Newschool Motive, bei denen einzelne Flächen eingefärbt sind, gehören zu seinen Repertoire.

Foto: crazy muli piercing

Gewissen vor Cash

„Ich mache keine bunten Tattoos oder Realistik-Arbeiten“, gibt er zu. „Wenn jemand das möchte, verweise ich gerne auf einen meiner Tattoo-Kollegen“, erklärt er. Es bringe nichts das Geld einzusacken. So hätten seine Kollegen und die Kunden gleichermaßen etwas davon. Das Prinzip beruhe auf Gegenseitigkeit.

Geld ist mir nicht so wichtig wie mein Gewissen.

(Michael Müller)

Muli sticht außerdem nur die Piercings und Tattoos, die auch zu den Menschen passen. „Wenn ein Kunde einen Wunsch hat und ihm das rein gar nicht steht, sage ich das ehrlich“, fügt er hinzu. Wenn er im Gespräch merke, dass der Kunde noch unsicher sei, vereinbare er erst mal keinen Termin, ehe sich der Kunde wirklich sicher ist.

 

Foto: crazy muli piercing

Was mich befriedigt ist es, den Leuten eine Freude zu machen.

(Michael Müller)

Freunde weltweit: Auf Messen zuhause

Muli geht schon seit 20 Jahren auf Tattoo-Messen. „Es ist inzwischen wie ein Zuhause“, sagt er. Er treffe dort viele bekannte Tätowierer, die inzwischen zu Freunden geworden sind. Manche kommen aus Neuseeland, Australien, Amerika, der Türkei oder aus Japan. Am Samstag ist Michael Müller ab den Morgenstunden auf der International Tattoo Convention in der Bindlacher Bärenhalle. „Man kann sich dort spontan etwas stechen lassen oder einen Termin für die kommenden Wochen ausmachen“, erklärt er.

Vom Gymnasium geflogen: Graf Gravina, Lausbub und Bayreuther Original

„Grüß Gott, Herr Scholti.“ Wie von der Tarantel gestochen bleibt Festspielleiter Wolfgang Wagner auf der Bühne des Festspielhauses stehen, als sein Mitarbeiter einen Statisten mit diesem berühmten Dirigenten-Namen begrüßt. „Scholti? Sind Sie etwa mit dem Georg Solti verwandt?“, fragt Wagner. „Ja, mein Großvater kommt aus Ungarn. Es ist sein Cousin“. Wolfgang Wagner sieht Martin Scholti lange an: „Na ja, für seine Verwandtschaft kann man ja nichts“, und fügte nach einer kleinen – wohl gesetzten – Pause schmunzelnd hinzu: „Das weiß ich am besten.“

Wen mochte Wagner wohl gemeint haben? In Frage kommen zweifellos mehrere Familienmitglieder. Vielleicht sein Cousin, Gilbert Graf Gravina? Er war eine schillernde Persönlichkeit, stadtbekannt und hatte es als Kind faustdick hinter den Ohren. Hobby-Historiker Stephan Müller erzählt warum.


Gilbert Graf Gravina. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Wolfgang Wagners Tante Blandine, eine Tochter aus Cosima Wagners erster Ehe mit Hans von Bülow, hatte am 25. August 1882 den sizilianischen Conte Biagio Gravina geheiratet. Blandine und ihr ältester Sohn Manfredi, der als italienischer Marineoffizier, Diplomat und Hoher Kommissar des Völkerbundes Karriere machte, waren später Wolfgang Wagners Taufpaten. Während er seine Tante Blandine verehrte, würdigte Wolfgang Wagner Manfredis jüngeren Bruder Gilbert (1890 – 1972) in seiner Biografie „Lebensakte“ mit keiner einzigen Zeile.

Wer war Graf Gravina?

Gilbert Graf Gravina, geboren 1980 in Palermo, war also der Enkel von Cosima Wagner und damit auch Urenkel von Cosimas Vater Franz Liszt. Richard Wagner war als zweiter Ehemann von Cosima quasi sein „Stiefgroßvater“, Wolfgang und Wieland Wagner seine Cousins. Nach dem Selbstmord seines Vaters im Jahr 1897 wurde der siebenjährige Gilbert der Ziehsohn von Wolfgang Wagners Vater Siegfried und wuchs in Bayreuth auf. Siegfried Wagner komponierte für den begabten Flötenspieler sogar ein eigenes Konzert porträtierte ihn in einer seiner Opern als Lebemann, der er auch zweifellos war. Er starb im Jahr 1972 in Bayreuth und ist im Grab seiner Tante Daniela Thode am Bayreuther Stadtfriedhof beigesetzt.

Cosima Wagner mit ihren Kindern und Enkeln (von links nach rechts): Enkel Gilbert Graf Gravina, Isolde Wagner, Daniela Thode, Cosima Wagner, Siegfried Wagner, Eva Wagner und die Gräfin Blandine Gravina. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Der junge Graf flog von der Schule

Schon als Junge hatte es der Graf faustdick hinter den Ohren. Das zeigt eine Begebenheit aus dem Gymnasium Christian Ernestinum in der Friedrichstraße, die der Spinnerei-Besitzer Dr. Fritz Bayerlein immer wieder gern zum Besten gab: Etwa um die Jahrhundertwende, als Gilbert die siebte Klasse besuchte, kam täglich um Punkt 7.45 Uhr ein Fiaker vorgefahren. Dem türlosen Zweisitzer entstieg, seiner Würde bewusst, einer der Herren Professoren. Die Mappe an die Brust gedrückt, erklomm er die Stufen des Schulgebäudes und verschwand durch die Eingangstür.

Die Postkarte aus dem Jahr 1900 zeigt den Jean-Paul-Platz mit dem Bayreuther Gymnasium. Foto: Archiv Dr. Syliva Habermann.

Eines Tages wurden die vor der Tür noch harrenden Schüler durch Flüsterpropaganda aufgefordert, sich am nächsten Tag schon vor 7.45 Uhr vor dem Penal einzufinden. Es würde etwas Besonderes geboten, das auch Jean Paul, der auf seinem Sockel dem Schulgebäude gegenüberstand sicher Spaß gemacht hätte. Keine Frage, dass sich am nächsten Tag eine große Schülerzahl einfand. Da trabte, pünktlich auf die Minute, auch schon der Einspänner an. Doch die Aufmerksamkeit richtete sich auf die andere Straßenseite. Denn von dort ertönten ebenfalls Pferdehufe.

Eine elegante Chaise, von zwei Pferden gezogen, fuhr direkt auf das Gymnasium zu. Auf dem Bock saß ein Kutscher mit Zylinder und langer Peitsche, neben ihm ein livrierter Diener.

Fast im gleichen Augenblick hielten nun beide Kutschen einander gegenüber vor dem Schuleingang. Dem Fiaker entstieg, wie immer wortlos, der Herr Professor, der diesmal aber verdutzt stehen blieb. Er musste mit ansehen, wie der Lakai vom Bock sprang und seinem Fahrgast die Türe aufriss. Der Kutsche entstieg der Schüler Gilbert Graf Gravina, der dem Professor gemächlichen Schrittes ins Schulgebäude folgte.

Dr. Fritz Bayerlein erzählt: „An diesem Tag verzögerte sich Unterrichtsbeginn erheblich, weil sofort eine Lehrerkonferenz einberufen worden war.“ In den Klassenzimmern herrschte ein reges Treiben, bis gegen 10.30 Uhr der Schüler Gravina vom Pedell ins Lehrerzimmer gerufen wurde. Er sollte nicht mehr in sein Klassenzimmer zurückkehren, denn Gilbert Graf Gravina war mit sofortiger Wirkung der Schule verwiesen worden!

Ein Bayreuther Original

Gilbert Graf Gravina war bei den Einheimischen ein beliebtes Original. Als Dirigent leitete er 1965 die musikalische Untermalung bei der Eröffnung der Stadthalle. Sie steht an der Stelle, an der sich einst besagtes Gymnasium befunden hatte. Ob er beim Betreten des neuen Konzerthauses wohl an sein Bubenstück gedacht hat?

Noch im hohen Alter oblag dem Grafen eine wichtige Aufgabe im Festspielhaus. Der Urenkel von Franz Liszt und Enkel von Cosima Wagner sorgte viele Jahre lang für das exakte Öffnen und Schließen des Hauptvorhangs.

Im Sommer 1965: Graf Gravina mit Festspielleiter Wieland Wagner, der Begum Aga Khan, dem Sänger Theo Adam und Dirigent Otmar Suitner bei einem Empfang im Festspielhaus. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Der Graf und sein Humor

Der „Gil“, wie er von den Bayreuthern genannt wurde, beteiligte sich rege am Leben im Städtchen. Gern erinnern sich die Bayreuther an die „sportlichen Leistungen“ des Grafen.

So war er in seiner Altersklasse mehrfacher Stadtmeister im Skilanglauf. Allerdings hatte er in der Kategorie der „über Siebzigjährigen“ als einziger Starter keine allzu große Konkurrenz. Bei einem kurzen Plausch während eines Rennes bekam er auf die Frage, ob er „nicht weiter“ müsse die Antwort, dass er keine Eile hätte: „In meiner Altersklasse gewinne ich ja sowieso!“

Für Aufsehen sorgte er auch, als man den Grafen während einer Stadtmeisterschaft auf dem Buchstein suchen musste. Er hatte sich verlaufen.


Text: Stephan Müller

Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

Multitalent Hausmeister: Es gibt immer was zu tun

Langeweile im Job kennt Lothar Höreth nicht. Im Gegenteil: Es gibt immer etwas zu tun. Lothar Höreth ist Hausmeister an der Alexander-von-Humboldt-Realschule – und das schon seit 25 Jahren. Der 52-Jährige war früher selbst Schüler an der Realschule. Seine Ausbildung zum Betriebsschlosser ist in seinem Job Gold wert. Höreth ist ein wahres Allround-Talent.

In seinem Dienstzimmer erledigt Lothar Höreth Verwaltungsaufgaben und Organisatorisches. Foto: Magdalena Dziajlo

Rund um die Uhr da

Tropfende Wasserhähne, verstopfte Toiletten, Schmierereien, Stromausfall: Höreth weiß sich immer zu helfen und ist immer an Ort und Stelle, wenn etwas repariert werden muss. Und: „Es macht mir einfach Spaß“, sagt der Hausmeister. Praktisch, wenn man da in der Hausmeisterdienstwohnung direkt auf dem Schulgelände wohnt. Ein kurzer Mittagsschlaf in der Pause, kein Problem. Doch das hat natürlich auch seine Schattenseite:

Der Nachteil ist, dass man auch mal am Abend, am Wochenende oder sogar im wohlverdienten Urlaub belästigt wird – von Fremden, Eltern oder Lehrern.

(Lothar Höreth, Hausmeister an der Alexander-von-Humboldt-Realschule)

Es sei schon vorgekommen, dass Eltern am Wochenende bei ihm geklingelt haben, weil die Tochter das Federmäppchen in der Schule vergessen habe. Ein weiterer Unterschied: „Während andere froh sind nach der Arbeit nach Hause zu kommen, bin ich oft froh, mit meiner Frau raus zu kommen.“

Kein Tag wie der andere

Nach Dienstende um 16 Uhr ist für den Hausmeister meist noch lange nicht Schluss. Von Montag bis Freitag nutzen Bayreuther Vereine ab 16.30 Uhr die Schulturnhalle. Die muss Höreth natürlich auf- und wieder zuschließen sowie die Halle nach dem Training kontrollieren. Hinzu kommen Schulfeste, Elternabende, Infoabende und andere Veranstaltungen zu denen der 52-Jährige da sein muss. Höreth kümmert sich auch um die Post, die er täglich ins Rathaus bringt und dort auch abholt. Mit der Zeit hat er seine Arbeitsabläufe optimiert, er weiß genau, wo er hin greifen muss und was zu tun ist, und setzt seine Prioritäten. Überall könne er ohnehin nicht sein.

Bei all den wiederkehrenden Aufgaben und Kleinigkeiten sei es sowieso schwierig, den Tag zu planen. Denn Unverhofft komme bekanntlich oft.

Ich habe es aufgegeben, zu planen. Wenn es nicht klappt, muss ich mich so wenigstens nicht ärgern.

(Lothar Höreth)

Oberste Priorität: Winterdienst

Im Winter hat das Räumen und Streuen für Höreth oberste Priorität. Statt um 6:30 Uhr beginnt sein Tag dann bereits gegen 4 Uhr. Bis die Schüler eintrudeln, müssen das Außengelände und vor allem die Hauptwege und die Treppe geräumt und gestreut sein. Besonders stolz ist der Hauseister auf seine Räummaschine, die ihm die Arbeit enorm erleichtert. Bei der Treppe muss er aber noch selbst die Schippe in die Hand nehmen.

Ebenso häufig im Einsatz sind gerade im Herbst der Laubbläser und der Besen. Den müssen übrigens auch die Schüler ab und an schwingen, wenn sie etwas angestellt und dafür bestraft werden. Dann heißt es: Hausmeisterdienst. Höreth findet das gut. „Das tut mehr weh. Ich sehe das als erzieherische Maßnahme.“ Ein Zettel an die Eltern sei gleich wieder vergessen. Wenn aber alle Freunde Schulschluss haben und ins Freibad gehen und nur der Schüler, der etwas angestellt hat, bleiben und arbeiten muss, rege das eher zum Nachdenken an, findet der 52-Jährige.

Ausgleich Sport

Obwohl sein Job als Hausmeister körperlich viel abverlangt und enorm viel Zeit in Anspruch nimmt, geht Höreth dreimal die Woche ins Fitnessstudio. Und das seit 18 Jahren.

Das ist ein guter Ausgleich und die Zeit nehme ich mir einfach.

(Lothar Höreth)

Stand nur wenige Tage: Bayreuths kurioseste Bude

Vor 67 Jahren wurde in Bayreuth etwas weit und breit einzigartiges aufgebaut. Der Bayreuther „Milchpilz“ war der Vorgänger der Milchbar am Luitpoldplatz und wanderte schließlich als Dönerbude in eine andere Stadt – wo der Pilz heute noch steht.

Großer Andrang am Bayreuther Milchpilz. Im Hintergrund das „Stenohaus“. Heute steht dort die Schloss-Galerie. Foto: Archiv Bernd Mayer

Mehr Milch fürs Volk

Der Milchpilz wurde als „der erste und bisher einzige seiner Art im ganzen Bundesgebiet“ aufgestellt, berichtete das „Bayreuther Tagblatt“ am 15. Mai 1952 mit sichtlichem Lokalstolz. Die Firma Waldner aus Wangen im Allgäu hatte den kleinen Kiosk, der als Anreiz „zur Steigerung des Milchverbrauchs“ dienen sollte, für genau 4195 Mark hergestellt. Der städtische Milchhof stellte ihn als Attraktion zu einer Tagung des „Verbandes großstädtischer Milchversorgungsbetriebe“ vom 10. bis 17. Mai 1952 auf.

Der Pilz steht länger als erlaubt

Der auffällige Milchpilz war schnell Gesprächsthema Nummer eins. Aufgrund des riesigen Publikumserfolges entschloss sich der Milchhof, das „Milchhäusla“ über diese eine Woche hinaus am Luitpoldplatz stehen zu lassen. Die Fränkische Presse berichtete, dass „Bayreuth von einem Milchtaumel erfasst“ wurde:

Seit einer Woche zieht er jung und alt, groß und klein in seinen Bann.

Die Stadt bleibt hart

Damit eckte der Milchhof jedoch bei der Stadtverwaltung an, die hart blieb und den Abbau forderte. Der Milchpilz entspräche „in seiner Aufmachung nicht dem Stadtbild. Da nützte es auch nichts, dass Milchhofdirektor Hartl beim Oberbürgermeister die Begeisterung der Bürger und die volksgesundheitliche Bedeutung des Milchpilzes mit den „preislich günstigen und ernährungsphysiologischen Wert“ der „Milch- und Milchmixgetränke“ hervorhob. Stadtbaurat Schnabl drängte trotzdem auf die „umgehende Entfernung des Pilzes“ und konnte am 26. Juni den Abbau des „Milchkiosks in Pilzform“ vermelden. Die Bude wanderte nach Regensburg.

Rudolf Roesner vor seiner Milchbar am Luitpoldplatz. Foto: Gaby Roesner-Oliver

Margot Roesner hinter dem Tresen. Foto: Gaby Roesner-Oliver

Pilz geht, Bar kommt

Immerhin erhielt der Milchhof die Genehmigung zur Errichtung einer Milchtrinkhalle und Milchtrinkbar. So eröffneten dann Rudolf und Margot Roesner im September 1962 neben der bereits seit 1954 erfolgreichen legendären „Milchbar“ (in der Badstraße und später am Sternplatz) eine zweite Eisdiele gleichen Namens am Luitpoldplatz.

Die erste Milchbar in Bayreuth gab es am Sternplatz. Foto: Archiv Bernd Mayer

Die Milchbar musste zusammen mit dem „Stenohaus“ vor einigen Jahren dem Neubau der „Schlossgalerie“ weichen.

Stehcafé in Regensburg

Den Bayreuther Milchpilz gibt es übrigens noch: Seit rund 60 Jahren steht er in Regensburg am Rande eines Parks und beherbergte erst eine Döner-Bude und heute ein beliebtes Stehcafé.

Als Döner-Bude drohte der Bayreuther Milchpilz zu verfallen. Dann nahm sich ein neuer Betreiber dem „Schwammerl“ an, renovierte und eröffnete ein Steh-Café das es heute noch gibt. Foto: Stephan Müller


Text: Stephan Müller


Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

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