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Kultur

Wie zwei Jungs die alte Tradition des Kunststopfens fortführen

Das Kunststopfen ist ein aussterbendes Gewerbe. Deutschlandweit gibt es nur noch eine Handvoll solcher Betriebe. Einen davon findet man in Bayreuth.

Das Kunststopfen ist ein aussterbendes Gewerbe. Deutschlandweit gibt es nur noch eine Handvoll solcher Betriebe. Einen davon findet man in Bayreuth.

Generationenwechsel in der Bayreuther Kunststopferei

Die Kunststopferei Atzinger hat Tradition. Gegründet wurde das Geschäft 1945 von Otto Atzinger. Am Luitpolplatz fanden über 100 Menschen in dem Bekleidungsgeschäft mit dazugehöriger Schneiderei einen Arbeitsplatz. Frieda Schuster, eine Mitarbeiterin, die 1968 ihre Lehre in dem Betrieb begann, übernahm bis 2018 das Geschäft. Im Juli 2019 war dann endgültig Schluss.

Die Kunststopferei in der Bürgerreuther Straße. Foto: Susanne Monz

Bereits 2018 habe ich das Geschäft den Brüdern Pöllmann übergeben. Jetzt ziehe ich mich endgültig zurück. Es wird Zeit, dass die jungen Leute sich dem aussterbenden Berufsbild annehmen.

(Frieda Schuster, ehemalige Besitzerin der Kunststopferei Atzinger)

Eigentlich gehören Marcus und Matthias Pöllmann einige Wellensteyn Läden. Die Brüder, deren Familie aus der Textilbranche kommt, haben über die Wellensteyn-Jacken angefangen einen Reparatur-Service für die Jacken anzubieten. Der Hersteller selbst war von der Idee so begeistert, dass schnell sämtliche kaputten Jacken an die Brüder zur Reparatur geschickt wurden. Handelte es sich um größere Reparaturen, so brachten die Brüder die Jacken zur Kunststopferei Atzinger. Dadurch bekamen die Pöllmanns auch mit, dass Frieda Schuster das Geschäft abgeben wollte. Im Januar 2018 haben Marcus und Matthias Pöllmann den Laden dann rechtlich übernommen und ihren Jacken-Reparatur-Service integriert.

„Gestopft wird alles was aus Stoff ist“

Alles was mit Gewebe zu tun hat, vom Strickpulli bis hin zu Turnschuhen, kann von der Kunststopferei repariert werden. Meistens handle es sich um Klamotten. Aber auch Stuhlhussen und Tischdecken würden häufig vorbei gebracht werden, sagt Marcus Pöllmann.

Muster einer Kunststopf-Arbeit. Links: Auf der Vorderseite erkennt man von dem früher Loch nichts mehr. Rechts: Die Rückseite mit den verwobenen Nähten des kunstgestopften Lochs. Foto: Susanne Monz

Ziel des Kunststopfen ist es ein Loch so zu verschließen, dass danach kein Unterschied zum restlichen Material zu erkennen ist. Dafür werden einzelne Fäden aus einem verborgenen Bereich des Kleidungsstücks abgetrennt und damit dann das Loch gestopft. Eine Arbeit, die nicht automatisiert werden kann, sondern noch auf reine Handarbeit angewiesen ist.

Wir haben auch Kunden, die ihre Socken bei uns kunststopfen lassen. Man kann ein Loch ja auch normal stopfen, kunststopfen bedeutet allerdings, dass man hinterher keinen Unterschied mehr sieht.

Warum man aber kunstgestopfte Socken braucht, ist nur schwer nachvollziehbar.

(Matthias Pöllmann)

Kunden aus ganz Deutschland

Mühevolle Handarbeit. Foto: Susanne Monz

Zu den Stammkunden gehören einerseits ältere Menschen, andererseits aber auch junge Leute, die selbst nicht mit Nadel und Faden umgehen können. Zusätzlich hat die Kunststopferei über 150 Annahmestellen in ganz Deutschland. Zu den Kunden zählen unter anderem eine Großwäscherei in Köln, aber auch Wöhrl- und Bogner-Filialen aus München. Selbst Gloria von Thurn und Taxis gehört zu den Kunden und hat eine Tischdecke bei der Kunststopferei Atzinger in Auftrag gegeben.

Wir haben was am Start, was gut funktioniert. Aber uns fehlt das Personal um die Möglichkeiten voll und ganz auszuschöpfen. In diesem Beruf kommt kein Nachwuchs nach.

Allerdings kann jeder diesen Beruf ausüben. Es braucht nur etwas handwerkliches Geschick.

(Matthias Pöllmann)

Aus Atzinger wird „Die Änderei“

15 Angestellte arbeiten aktuell bei der Kunststopferei Atzinger. Aus rechtlichen Gründen muss der Namen Atzinger allerdings auslaufen. Deshalb wird die Kunststopferei in „Die Änderei“ umbenannt. Dann ist auch der Generationswechsel endgültig vollzogen.

Neuer Name – altes Konzept. Foto: Susanne Jagodzik

Der Name Atzinger war vielen Leuten noch ein Begriff. Jetzt wollen wir aber auf eigenen Füßen stehen.

(Marcus Pöllmann)